Heft 
(2020) 110
Einzelbild herunterladen

Nomen est omen  Sill 115 Bereits sehr viel weiter gediehen ist das auf das Jahr 1882 datierbare Frag­ment Oceane von Parceval. Im Mittelpunkt der skizzierten neun Kapitel soll­ten»die Parcevals« stehen, Mutter und Tochter: Objekt aufmerksamer Be­obachtung und Gegenstand zahlreicher Gespräche zwischen dem Protagonisten»Dr. Felgentreu« 11 und seinem Freund. Obwohl mit einem anderen Namen versehen, gehört Oceane von Parceval unstrittig in die Rei­he der Melusine-Entwürfe, wie die eingangs von Fontane vorgenommene Charakterisierung der Figur Oceane verdeutlicht: Es giebt Unglückliche, die statt des Gefühls nur die Sehnsucht nach[..] dem Gefühl haben und diese Sehnsucht macht sie reizend und tragisch. Die Elementargeister sind als solche uns unsympathisch, die Nixe bleibt uns gleichgültig, von dem Augenblick an aber wo die Durchschnitts=Nixe zur exceptionellen Melusine wird, wo sie sich einreihen möchte ins Schön=Menschliche und doch nicht kann, von diesem Augenblick an rührt sie uns. Oceane von Parceval ist eine solche moderne Melusine. Sie hat Liebe, aber keine Trauer, der Schmerz ist ihr fremd, alles was ge­schieht wird ihr zum Bild und die Sehnsucht nach einer tieferen Herzens=Theilnahme mit[..] den Schicksalen der Menschen[..] wird ihr selber zum Schicksal. Sie wirft das Leben weg, weil sie fühlt, daß ihr Leben nur ein Schein=Leben, aber kein wirkliches Leben ist. 12 Unmittelbar bevor Fontane die Arbeit am Stechlin aufnahm, entstand Mitte 1895 der Romanentwurf Melusine von Cadoudal. Der gewählte Titel stellt unmittelbar eine Verbindung her zu den vorausgegangenen Melusine-Skiz­zen; eine Verbindung allerdings, die mit Blick auf die in Ansätzen erzählte Geschichte auf den ersten Blick nicht ohne weiteres gegeben zu sein scheint. Protagonisten der geplanten Handlung, in der es um eine späte Eheschlie­ßung gehen sollte, sind Melusine von Cadoudal, letzte Trägerin eines alten bretonischen Adelsnamens, und der bereits pensionierte Oberst Krake von Tordenskjöld. Wie so oft in den Entwürfen Fontanes ist die jeweilige Szene­rie nur knapp umrissen. Zentrale Aussagen der geplanten Dialoge sind da­gegen bereits im Detail festgehalten. Und so sollte es Melusine von Cadou­dal vorbehalten sein, bei ihrer ersten Begegnung mit dem pensionierten Oberst auf ihre»halbe Lusignan-Mutter« und auf das»Volksmärchen« hin­zuweisen:»Das Volksmärchen spricht bekanntlich von der schönen Melusi­ne; da ist mir denn beschieden immer nur enttäuschte Gesichter zu sehn. Nicht angenehm, auch wenn man nicht allzu eitel ist.« 13 Überblickt man alle drei Melusine-Entwürfe aus den Jahren 1877/1878, 1882 und 1895, dann liegt es auf der Hand, dass die Herausgeber des Stech­lin in den großen Fontane-Editionen auf diese drei Fragment gebliebenen Erzählungen hinweisen, wenn es gilt, den Melusine-Komplex in Fontanes letztem Roman zu beleuchten. Sowohl Helmuth Nürnberger(Hanser) als auch Klaus-Peter Möller(Große Brandenburger) zitieren in ihrem jeweiligen