Heft 
(2020) 110
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Nomen est omen  Sill 121 Der Vorname Oceane verweist gleichermaßen auf die beiden verschiedenen Elemente Wasser und Luft. Das mit dem Element Wasser unmittelbar ver­knüpfte Melusinische ruft die bis ins Mittelalter zurückreichende Überliefe­rungsgeschichte der Meer- oder Wassernixen auf, einmündend in die spezi­fische Gestalt, die Fontane, wenn auch nur in Ansätzen, diesem Stoff in seinen Melusine-Fragmenten verliehen hat. Von zentraler Bedeutung ist da­bei der gleich zu Beginn des Oceane-Fragments vorgenommene Charakteri­sierungsversuch: Oceane als»moderne Melusine«, die erfüllt ist von der Sehnsucht nach Integration in die menschliche Gemeinschaft, die»sich ein­reihen möchte ins Schön=Menschliche« 45 wohl wissend, dass ihr dieser Weg auf immer versperrt ist:»Eine Sehnsucht ist da, die Kluft zu überbrü­cken; ich kann es nicht; ich habe keine Thräne, kein Gebet, keine Liebe. Ich habe nur die Sehnsucht nach dem allem.« 46 Das spezifisch Melusinische ist von der Forschung vielfach aufgegriffen worden und hat zu mancherlei In­terpretations- und Deutungsversuchen geführt. Bislang vernachlässigt, ja unbemerkt blieb die andere, an das Element der Luft geknüpfte Dimension, die im Namen Oceane gleichermaßen präsent ist. Hier geht es nicht um die unstillbare Sehnsucht der ›Melusine‹, sondern um die Frau als Projekti­onsfläche männlichen Verlangens und Begehrens. Die Luftkünstlerin in ih­rer gleichsam schwebenden Existenz wird zum Inbegriff männlichen Lie­besverlangens, ob es sich nun um Dr. Felgentreu im Oceane-Fragment handelt oder um Hugo Großmann in Mathilde Möhring. Auch diese Sehn­sucht, die Sehnsucht der Männer, bleibt letztlich unstillbar, erweist sich die Luftkünstlerin doch als Windsbraut, Sinnbild stürmischer Liebe, verlockend nah und flüchtig zugleich. In aller Behutsamkeit formuliert: Die Namensgebung Oceane scheint ein Modell zu annoncieren, mit dem Fontane in den Fragmenten experimentier­te, dessen je spezifische Ausgestaltung jedoch anderen Werken vorbehalten blieb. Zugrunde liegt diesem Modell eine paradox anmutende Gedankenfi­gur von grundsätzlicher Tragik: Das, was Frau und Mann verbindet, ist zu­gleich das, was sie unaufhebbar voneinander trennt: eine letztlich unerfüllt bleibende Sehnsucht. III. Der Name Parceval war Theodor Fontane durchaus geläufig. In seinem Buch Der deutsche Krieg von 1866(1870/71) erwähnt er einen»Hauptmann von Parceval« 47 von der bayerischen Infanterie. Gemeint war wohl Otto von Parseval(1827–1901), später aufgestiegen zum königlich-bayerischen Gene­ral der Infanterie. Parseval entstammte einem ursprünglich französischen, 1816 in Bayern immatrikulierten Adelsgeschlecht. Fontane verwendet die französische Schreibweise, obwohl sich die Parsevals seither mit s schrie-