Die Fontanes und»ihre« Französische Kirche Seiler 143 Stellung und seinem Bekenntnis nach durfte«. 21 Wenn gerade das ein Fall aber nicht zeigt, ist es Fourniers Verhalten bei dieser Trauung, und erst recht von seinem Auftreten vor Gericht bleibt der Eindruck einer verstörenden Uneinsichtigkeit zurück. Zu dem Vorfall kam es, nachdem Fournier von einem vormaligen Konfirmanden, dem 23jährigen Musiklehrer Albert Küntzy, gebeten worden war, ihn mit einer 19jährigen Kanzlistentochter zu verheiraten. Am Tag der Trauung, dem 14. Januar 1869, erreichte den Pfarrer ein anonymes Schreiben, aus dem er erfuhr, dass die Braut bereits in anderen Umständen sei. Er nahm beim Eintreffen der Hochzeiter die Mutter des Bräutigams deshalb zur Seite – die Mutter der Braut lebte nicht mehr – und erklärte ihr, eine Trauung mit Myrtenkranz komme nicht infrage,»nicht eine Blume« dürfe die Braut als Kopfschmuck tragen. Außerdem würde die Trauung nicht in der Kirche, sondern nur in der Sakristei stattfinden. Nach einigen Einwänden, die ihn vielleicht zusätzlich empörten, trat er bei den in der Sakristei versammelten Gästen ein, einem Dutzend Angehöriger und Freunden des Paares, ging auf die Braut zu und versetzte ihr mit den Worten»Meine Tochter, was hast du getan!« eine schallende Ohrfeige. Er warf ihr vor, Gott mit dieser Trauung belügen zu wollen, und erhob weitere solche Anklagen. Sie fing an zu weinen, der Bräutigam versuchte sie beruhigen und erklärte dem Pfarrer, Gott sei allwissend, er wisse auch das, der Pfarrer möge sich rein auf die Trauung beschränken. Das geschah auch, wenn schon nicht ohne die Stichelei, dass die Brautleute nicht zu zweit, sondern»zu dritt« vor den Traualtar getreten seien. Das neue Vorderhaus der Klosterkirche von 1882
Heft
(2020) 110
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