146 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte tun. Dieser habe das Gerichtsverfahren nur»leise berührt«, schreibt er in Von Zwanzig bis Dreißig, und»kein Ton von Bitterkeit« sei zu vernehmen gewesen. Vor allem aber habe Fournier erkennen lassen, dass er seine Strafe akzeptierte,»sie trifft mich da, wo ich gefehlt«. 26 Tatsächlich gesagt hat Fournier jedoch, dass es ein»unerhörter und zugleich in hohem Grade betrübender« Vorgang gewesen sei, wie man ihn »nach einer mehr als vierzigjährigen ehrenvollen Wirksamkeit« behandelt hätte, und nicht auszumessen,»was Menschen dabei geirrt und gesündigt haben«. Er sei sich aber sicher, dass»alle Zeugenaussagen und Richtersprüche der Welt nicht im Stande sind, die Unwahrheit zur Wahrheit und die Wahrheit zur Unwahrheit zu machen«. Nur weil er wie stets auf Gott vertraue, könne er auch diese Prüfung ertragen, ja er erkenne darin die gute Absicht Gottes, ihn aus seinem Amt scheiden zu lassen,»bevor Krankheit und Altersschwäche es zur Nothwendigkeit machen«. 27 Es mag sein, dass Fontane Fourniers Haltung der Gottergebenheit, die die ganze Predigt durchzog, auch auf dessen Prozessbeurteilung übertrug, zumal diese in dem einstündigen Vortrag nur wenige Minuten beanspruchte. Unübersehbar aber gesteht er Fournier ein Schuldbewusstsein zu, das es nicht gab, sondern das zu bemerken er nur eben sich wünschte. Auch er also war von Fourniers Schuld überzeugt und wollte nicht wahrhaben, dass dieser bis zuletzt alles abstritt. Mit ihm noch über den Fall gesprochen hat er aber sicherlich nicht, der letzte amtliche Kontakt lag mit der Konfirmation des ältesten Sohnes zu Ostern 1867 ja auch schon länger zurück. So war es erst wieder die Nachricht von Fourniers Tod, die ihn beschäftigte, empfangen im Oktober 1874 während der ersten Italienreise. 28 »Für uns ein wirklicher Verlust«, schrieb er an die befreundeten Zöllners.»Er hat, durch die zweifelhaftesten Zeiten hin, in Treu und Liebe bei uns ausgehalten.« 29 Zwanzig Jahre später erinnerte er sich Friedlaender gegenüber noch einmal an eine Predigt Fourniers, in der dieser»den Himmel Gottes ganz nach dem Rezept der Quattrocento-Maler« beschrieben habe.»Er mußte den Tag vorher solch Bild gesehen haben oder kam von einer italienischen Reise zurück.« Nur sei aus solcher Religiosität in der heutigen Zeit»nichts mehr zu machen«, bemerkt er dazu, sie habe sich»längst überlebt«. 30 Es war nicht der Pfarrer, sondern nur der Mensch Fournier, den er schätzte. 6. Die Kirchenverbindungen von Fontanes Kindern Der Klosterkirche blieben die Fontanes auch nach Fourniers Ausscheiden treu. Dessen Nachfolger für mehr als ein Jahrzehnt wurde Albert Cazalet, und so war er es, der die drei weiteren Fontane-Kinder dort dann konfirmierte. Zu Ostern 1873 war es Sohn Theodor. Er war am 1. Oktober 1871 bereits in das Predigerseminar der Französischen Gemeinde eingetreten, in
Heft
(2020) 110
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