148 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Bräutigam auch noch konvertieren. Andernfalls hätte er als Vater in dieser »Mischehe« das Recht gehabt, seine Kinder evangelisch zu erziehen, und das durfte aus Bechmannscher Sicht nicht sein. Carl Robert wusste indessen, wofür er das tat: die finanzielle Ausstattung seiner Braut überstieg seine Einkünfte als städtischer Justiziar bei Weitem. Alle sechs Kinder der Bechmannn–Robert–Ehe wurden also katholisch getauft, auch die 1865 geborene Martha Robert als Zweitälteste. 35 Ihre Mutter hat das aber wohl von Anfang an missbilligt, wahrscheinlich hatte sie selbst in ihrer Jugend erfahren, welchem Spott man als»Katholische« in Berlin ausgesetzt war. Nach dem Tod ihres Vaters 1881 – ihr Erbe wollte sie natürlich nicht riskieren – trat sie mit allen ihren Kindern aus der katholischen Kirche aus und wurde evangelisch. Das jedenfalls ergibt sich, wenn man die Kirchenbucheinträge mit dem Eindruck verbindet, den Fontane von der Familie hat. Der einzige Katholik bei den Roberts ist seiner Wahrnehmung nach der Vater. Martha Robert, als sie heiratet, ist»evangelisch«, ohne dass von einem vorherigen Glaubenswechsel die Rede ist, und ebenso wenig wird an ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Emma, die die Fontanes 1890 im Riesengebirge näher kennenlernen, etwas Katholisches noch bemerkt. Der Jüngste der Familie aber, Emil Robert, wird während des Ehejahres des Fontane-Sohnes in Berlin konfirmiert. 36 Der innerfamiliäre Konfessionswechsel wurde den Fontanes gegenüber also fraglos nicht berührt. Es hatte ja auch etwas Komisches, dass der Vater zwecks Heirat Katholik geworden war, sich seine gesamte Familie danach aber auf die Gegenseite schlug. Fontane mit seinem ausgeprägten Sinn für derlei Pikantheiten hätte sich einen Spott darüber schwerlich entgehen lassen. Dass Carl Robert dem Übertritt zugestimmt haben musste, machte die Sache nicht besser, konnte er selbst sich doch nicht anschließen, wollte er nicht vor aller Welt als gewissenlos, ja zynisch dastehen. Für Fontanes Sohn war die Heirat gleichwohl das»Große Los«. Er bezog mit seiner Frau die opulente neue Villa der Schwiegereltern in Lichterfelde und hatte als Offizier jetzt mit Geld beste Aussichten auch für seine Karriere. Das allerdings für nur noch ein Jahr. Im September 1887 beendete ein Blinddarmdurchbruch sein Leben, Fontane konnte ihn, aus dem Riesengebirge zurückkommend, gerade noch einmal sehen. Bestattet wurde er auf dem neuen Lichterfelder Friedhof, damals noch kaum mehr als ein Acker, und ausgesegnet durch einen Pfarrer der nahen Pauluskirche. An ein französisch-reformiertes Begräbnis hat offenbar niemand gedacht, auch Fontane nicht, denn in seinem Tagebuch bemerkt er, der Platz gefalle ihm, er wünschte sich»die gleiche Stelle«. 37 Bei den Roberts hingegen war der Konfessionsunterschied noch über ihren Tod hinaus von Bedeutung. Die meisten Beerdigungsplätze von Berlin waren damals Kirchhöfe, also konfessionsgebunden, sodass ein Ehepaar aus einer Mischehe nur unter Verzicht auf eine der Bindungen eine
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(2020) 110
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