Heft 
(2020) 110
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154 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte 7. Das weitere Schicksal der Klosterkirche Mit der Beerdigung des Ehepaars Fontane auf dem Französischen Fried­hof endete die Verbindung der Familie zur Klosterkirche und damit zur Französischen Gemeinde überhaupt. Keines der Kinder Fontanes gehörte zum Lebensende einer französisch-reformierten Kirche noch an, nicht Martha, die 1917 in Waren an der Müritz begraben wurde, nicht Friedrich, der 1941 in Neuruppin starb, und auch nicht Theodor mit der Grabstelle auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf. Erst recht aber die Wege der Enkel und Urenkel führten von dem französischen Erbe weg. Es trat bei ihnen dasselbe ein, was bei den meisten der im 17. Jahrhundert nach Preußen eingewanderten Hugenotten eintrat: sie wurden nach und nach ein Teil der deutschen Bevölkerung, sprachlich sowieso, aber auch konfessionell und in ihrem Selbstverständnis. Wenn man bedenkt, dass um 1700 ein Fünftel der Berliner Bevölkerung eingewanderte Franzosen gewesen waren, etwa 6000 Neubürger, so ist ihr allmähliches»Verschwinden« in dem einstigen Zufluchtsort ein guter Befund. Es ist genau das, was auch heute wieder für soundso viele Neuankömmlinge gehofft, erwartet, gewünscht wird: eine gelungene Integration. Nur die Zeit, die darüber vergangen ist, wirkt dann doch bedrücklich. Je mehr die eingewanderten Franzosen zu Deutschen wurden, desto ge­ringer wurde auch der Bedarf an französischen Kirchen. Die Klosterkirche blieb immerhin bis 1921 geöffnet, wenn auch hauptsächlich mit Rücksicht auf Devaranne, den man nicht vorzeitig in den Ruhestand schicken wollte. Die Dienstwohnung im Vorderhaus behielt er sogar bis zu seinem Tod zwei Jahre später. Währenddessen wurde der Kirchenraum aber schon zu einem Theater umgebaut. Ein Verein, der sich um die Russlanddeutschen küm­merte, die zu Zehntausenden wegen der Revolution nach Deutschland geflo­hen waren, hatte den Raum gepachtet. Diese Deutschen bildeten schon eine eigene evangelische Gemeinde, besaßen eine Realschule und sollten nun auch noch ein speziell für sie spielendes Theater bekommen. Devarannes Sohn, ein bekannter Missionar, begrüßte und lobte den Umbau ausdrück­lich.»Das Erbe unserer eingewanderten Vorfahren geht nun über in die Benutzung anderer Flüchtlinge,... aus der gottesdienstlichen Stätte soll eine Kultstätte edler Kunst werden.« 54 Die neue Nutzungsform konnte sich allerdings nicht lange halten. 1925 meldeten die Betreiber des Theaters Konkurs an, und es folgten ihnen ver­schiedene andere Theater-Vereine nach. Auch sie aber scheiterten oder es wurde ihnen gekündigt, weil die Französische Kirche immerhin darauf ach­tete, dass nur»politisch neutrale und sittlich und religiös akzeptable Veran­staltungen« stattfanden. Nach 1933 pachtete eine Gesellschaft für Volksbil­dung das Kirchenhaus, später aufgegangen in der NS-Organisation Kraft