174 Fontane Blätter 110 Rezensionen Bild im Bunde könnte Menzels ›Hinterhof und Haus‹ sein, das v. Graevenitz für den Schutzumschlag seiner Studie wählte). Dort beansprucht John Everett Millais’ Mariana(Ausschnitt) die ganze Aufmerksamkeit und verweist doppeldeutig(bildliche und vorbildliche Frau, alltägliche und heilsgeschichtliche Figur, biblische Verkündigung und natürliche Erwartung, Glasmalerei zwischen draußen und drinnen) auf ein Geschehen, das für das christliche Abendland ebenso fundamental ist wie für Fontanes prägende Begegnung mit Kunst(seit den 1850er Jahren) und wie sich diese»bildende Kunst« in seiner Romanwelt auswirkt. Hier, auf Wegmanns Schutzumschlag, bietet sich laut Paratext eine vom Verfasser angeregte»Collage unter Verwendung des Gemäldes Sehen[…] von Jan Brueghel d. Ä. und Peter Paul Rubens[…] und eines Porträtfotos von Theodor Fontane[…]«, ein buntes, medienflexibles Bilder-, Köpfe-, Figuren-, Schmuck- und Rahmen-Allerlei im Bilderrumpelkammersaal mit zusätzlichem Durchblick aufs Außenbild; es wimmelt geradezu. Der ältere Ausstellungskatalog leistet sich auf seiner Rückseite ein ironisches Zwinkern:»Bilder und immer wieder Bilder« steht bilderlos zu lesen und drum herum wie eine Helix:»Nein, meine gnädigste Frau, nur gleich nicht wieder Kunst und Kunstgespräche«. Diese keineswegs ernstgenommene Ironie leistet sich Wegmann(in voller Kenntnis des Angesprochenen) nicht. Ihm geht es um den schwarz-weiß und gerastert präsentierten Fontane, sein Foto ausgeschnitten und aufgeklebt über die bunte Vielfalt einer Kunst-Augenweide, die im Kopfe wuchert und aus den Buchstaben der Romanliteratur penibel aufgelesen wird. Prägend ist beides: der verkleidete Realismus der Präraffaeliten, der unter Fontanes Federführung Gegenwärtiges demaskiert, und der unterm»Zeigezwang«(S. 240) gebannte, wild gemischte Bilderfundus eines(melancholisch getönten?) ›Bilderfexes‹, der imaginär mit seinen Werkzeugen bastelt oder mit Bilderbällchen jongliert, auch wenn er photorealistisch wie eine Statue steht. Christoph Wegmann verfolgt, grob gezählt, zwei Ziele: Er rekonstruiert jene»Bilderwelt, wie sie Fontane wahrgenommen und literarisch umgewandelt hat«, und er will aufdecken,»was für Geschichten in die Bilder hineinverwoben sind und wie diese wiederum in die Geschichte hineinwirken«(S. 12). Natürlich sind Bild-Wahrnehmung und Bild-Umwandlung zu trennende Teilakte, die aber im jeweiligen Romanzusammenhang ineinander übergehen. Hinzukommt, dass es auch um die potentielle Bildwahrnehmung von Fontanes Publikum geht. Die Wechselbeziehungen zwischen Geschichten und Bildern scheinen zunächst das Stoffliche zu betreffen und allen recht zu geben, die glauben, dass Fontane mehr am Inhaltlichen der Bilder interessiert gewesen sei. Es zeigt sich aber, dass auch Darstellungstechnisches eine Rolle spielt(Perspektivenwahl, Konfiguration, Tönung, Gratwanderungen zwischen Wimmelbild und Vielheitsroman, Poetisierung des ›Kleinen‹). Dass Bildobjekte nicht einfach gegeben sind, sondern gemacht werden und wirken wollen, zeigt sich immer wieder.
Heft
(2020) 110
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