Heft 
(2020) 110
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176 Fontane Blätter 110 Rezensionen eine Reihung!), eine»Welt der Dinge« öffnet sich, die man essen, aufstellen, tragen und ausstopfen kann, Puppenstuben für Kinder, wertvoll Wertloses, aus dem sich dennoch Geld machen lässt, aber auch Ruhm und Ehre. Folgt man dem Bildangebot weiter, so sind es die Panoramen, die den Wunsch, sehen zu können,»wie alles is«(9. Kap.) rundum erfüllen, klipp und klar zei­gen, was Realismus ist und wie er funktioniert. Auch erotische Wünsche können durch Bilder bedient und kriegerische Lüste ausgelebt werden. Ähnliche Befriedigungen gewährt das Feuerwerk als Lichtkunst(12. Kap., bes. auch LHermites Lichtskulpturen). Immer wieder begegnet die sugges­tive Verschränkung von Bild und Macht(13. Kap.). Zugleich aber lassen sich die Querschläger der Karikatur verfolgen und machen bewusst, wie tief der ernste Realismus auch vom Grotesken durchdrungen ist. Im Grund aber do­minieren die ernst genommen Bilder, seis die archäologischen aus der Frühzeit, seis die»Bilder von den letzten Dingen«(Totentanz) mit Effis ange­nommenem Höllen-Sturz und anschließender Auffahrt zum leuchtenden Gestirn(S. 458). Welch atemberaubender Überfluss der Bilder, gewonnen aus buchstäbli­chem Wortlaut und Stück um Stück real ausgestellt auf der Bühne des Ima­ginären! Wegmann erkennt hierin Fontanes»Schaulust und Sehsucht«, be­legt Seite für Seite die Empfänglichkeit und Produktivität der Fontaneschen Augen, die, so heißt es lapidar, den Nicht-Maler Fontane von den Maler­Dichtern Stifter und Keller unterscheidet. Ein Tohuwabohu der Sichtbarkeit macht sich geltend, das aber in den Augen kein Flimmern hinterlässt, son­dern sie im Gegenteil schärft für etwas, was Wegmann treffend als»Was­serzeichen«(S. 12) der Fontaneschen Romanhandschrift bezeichnet. So folgt man der gebotenen»Wegleitung« und den vorgeschlagenen»Lesepfaden« willig, neugierig und bestens versorgt(allenfalls fehlt ein Personenverzeich­nis). Ganz selten nur wird nicht prompt eingelöst, was angekündigt wurde. So im Unterabschnitt»Sarastro und Papageno am Wilhelmplatz«(S. 332), in dem die Aufmerksamkeit auf zwei Figuren gelenkt wird, von denen nur die eine als Medium für den Blick auf die Feldherrn am Wilhelmplatz dient, um die es eigentlich geht. Erklären lässt sich diese Lust an Bildern biographisch und medienge­schichtlich. Biographisch rücken Fontanes Großvater, der Maler war, und die eigene Lesesozialisation in den Blick(z.B. die Neuruppiner Bilderbogen, die den Eindruck des Prägenden hinterlassen). Parallel dazu beginnt die visuelle Mediengeschichte ihren Jahrhundertlauf von der Lithographie im Vierfarbendruck über Daguerreotypie und laufende Bilder in der Wunder­trommel bis hin zu den Illustrierten der Massenpresse, den neu gegründe­ten Museen und sensationellen Panoramen. Fontanes Zeit wird so zu einer Phase der»Bilderflut«(S. 10), die sich zwar mit der heutigen nicht messen kann, aber gewiss schon das Leben damals und die Wahrnehmung beein­flusste.