voneinander haben sich Voss und Plett dem Forschungsinteresse angeschlossen, das sich zunehmend auf den „Kunstcharakter", das heißt auf seine schriftstellerischen Verfahrensweisen richtete. Sie konnten zeigen, daß sein Umgang mit dem literarischen Zitat durchaus unter die „Finessen" fällt, auf die er sich etwas zugute hielt. Vieles davon ließe sich — was aber unterbleibt — zu seinen „Versteck- spiel"-Praktiken in Beziehung setzen, die namentlich seit Andersons Hinweis mit Aufmerksamkeit verfolgt werden. Auch an die weit gediehene philologische Erschließung der Texte darf erinnert werden, von der Voss und Plett begünstigt wurden; die Kommentatoren der großen Ausgaben, wo vom Basismaterial schon das meiste bereit stand, hätten sich eigentlich einen Dank verdient.
Die Verdienste der beiden Arbeiten sollen mit dieser Randbemerkung beileibe nicht geschmälert werden. Ihnen ist zu verdanken, daß wir jetzt über die Ausmaße jener aus zweiter Hand stammenden literarischen Materialschicht unterrichtet und in die Lage versetzt sind, mit ihrer für die Erzählungen zum Teil grundlegenden Bedeutung zu rechnen und die Verschiedenartigkeit der epischen Anverwandlung zu überblicken, der sie jeweils unterzogen wurde. Hier ist kein Vergleich anzustellen, aber doch auf die starke Differenz in den Untersuchungsabsichten und -methoden hinzuweisen. Für Voss bilden Fontanes Zitate, vor allem seine Rollenzitate, wo eine Figur durch Nachfolge oder Identifizierung einem berühmten Vorgänger angeglichen wird, die Ausdrucksform einer letztendlichen Determiniertheit der menschlichen Existenzen und Geschicke, deren Wiederkehr ihnen erst das Siegel des Poetischen aufdrückt. Nicht allein in der Literatur, auch in Kunst und Geschichte, auf die sich deshalb die Ermittlung ausdehnt, findet Fontane demzufolge seinem besonderen Weltverhältnis entsprechend (S. 11), „ein Repertoire von bereits gestalteten, somit in allen weiteren Fällen erkennbaren und d. h. zitierbaren Grundmöglichkeiten" vor, die ihm erst „die Voraussetzungen für die Darstellung des Wirklichen" darbieten. (S. 267)
Plett ist im Gegenteil geneigt, „das bewußte Einsetzen solcher Anspielungen, die als Sinnzeichen einen ganzen Komplex möglicher Bezüge repräsentieren, (.. .) als ein Symptom und ein(en) Reflex der Auseinandersetzung mit dem' Problem des Realismus und der Objektivität, der Distanzierung des Erzählers von der in Zweifel gezogenen Eindeutigkeit der dargestellten Welt und des Rückzugs des auktorialen Erzählers zugunsten eines Romans der multiperspektivischen Offenheit" anzunehmen. (S. 2.) (Im Text ist Anspielung der Oberbegriff zu Zitat und Allusion; weshalb der Titel davon abgeht, bleibt dunkel.) Sie vermeidet es jedoch, ihre Ansicht zur Richtschnur der Darstellung zu machen — ein Vorgehen, das den Vorzug der Bündigkeit besitzt, aber bei Voss auf Kosten anderer entgegenstehender Auffassungen und Verfahrensweisen Fontanes geht, mit denen er dem geschichtlichen Wandel und der menschlichen Individualität Geltung verschafft. Plett zieht eine empirische Bestandsaufnahme und Ausbreitung des Materials vor, die sich nur insoweit Beschränkungen auferlegt, als sie bis auf geringfügige Ausnahmen lediglich den Herkunftsbereich der schönen Literatur berücksichtigt. Man mag da die Volkslieder und die nach Anzahl und Gewicht bedeutenden Entleihungen aus der Bibel vermissen, die anscheinend nicht als ein Literaturdenkmal betrachtet wird, was auf einen problematischen Literaturbegriff hinweist. Aber man wird sich der Unumgänglichkeit einer unzweideutigen Grenzziehung zumal dann nicht verschließen können, wenn sie ausdrücklich Raum für weitere Darstellungen läßt, welche sich der „Anspielungen auf Sage und Mythologie, auf Werke des Musiktheaters und Zitate aus dem historischpolitischen Bereich" anzunehmen hätten. (S. 3)
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