Heft 
(2020) 110
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Claudia Stockinger: ›Die Gartenlaube‹  Grüne 181 Zeitschrift. Gelegentliche Redundanzen die Grundlage jeder Serie sind dabei bewusst einkalkuliert. In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt auch, dass einige Gesichtspunk­te, die man in einer umfassenden Monografie zu diesem Thema erwarten könnte, begründetermaßen entweder ganz ausgeklammert oder nur am Rand behandelt werden. Biografisches Detailwissen zu den Persönlichkeiten hinter der Gartenlaube, etwa zum Verleger und Begründer des Blattes Ernst Keil oder zu prägenden Autoren wie dem Mediziner Carl Ernst Bock, wird man vergeblich suchen. Auch über die Geschichte des Blattes erfährt man insgesamt wenig, abgesehen von den Hinweisen auf die zunehmende Ver­drängung des belehrenden zugunsten des unterhaltenden Elements oder auf Variationen in der Fortsetzungsdichte und Fortsetzungsreichweite der Serien. Die Hintergründe des kurzzeitigen Verbots der Zeitschrift in Preu­ßen etwa bleiben unbeleuchtet, und ihre Entwicklung in den Zeiten abflau­ender Popularität, d. h. in den Jahren um und nach 1900, ist ebenfalls nicht Gegenstand des Buches. Zu den nicht berücksichtigten Aspekten gehören ferner die medialen Kontexte, mithin der Blick auf konkurrierende Zeit­schriftenprojekte, wobei dies für eine umfänglich überzeugende Bestäti­gung der Kernthese, dass die programmatische Serialität der Zeitschrift ihren Erfolg begründete, vielleicht nötig gewesen wäre; denn so bleibt am Ende die Frage offen, was vergleichbare Zeitschriften anders gemacht ha­ben, dass ihnen dieser außerordentliche Erfolg verwehrt blieb. Stockingers Kernthese scheint die verhältnismäßige Irrelevanz des In­halts bei der Frage nach den Erfolgsgründen der Zeitschrift zu betonen. Tat­sächlich ergibt sich aber aus ihrer Darstellung, dass die Art und Weise, wie in der Zeitschrift Texte und Bilder miteinander verbunden und aufeinander bezogen werden, eng mit der Aufnahme ihrer Inhalte verbunden ist. Inso­fern hat jedes Urteil beispielsweise über die politische Position der Garten­laube die textuelle Faktur der Zeitschrift unbedingt mitzudenken. Beson­ders klar werden diese Zusammenhänge in einer ›paradigmatischen‹(S. 235) Lektüre der ersten Nummern des Jahrgangs von 1872, die in die Zeit des sich zuspitzenden Kulturkampfes fallen. Stockinger schlüsselt detailliert auf, wie der in diesen Heften abgedruckte kirchen- und katholizismuskritische ­Roman Am Altar von E. Werner(Pseudonym für Elisabeth Bürstenbinder) von einer Reihe weiterer faktualer und fiktionaler Texte sowie von illustrati­ven Elementen flankiert, kommentiert und weitergeführt wird. Dabei sieht Stockinger, und das ist ein bemerkenswertes Ergebnis ihrer Studie, die Funktion dieser komplexen Verweise, Ergänzungen und antizipierenden Hinweise keineswegs darin, eine einzige ideologische Position gewisserma­ßen auf verschiedenen Kanälen durchzusetzen. Eher ergibt sich nach ihrer Einschätzung aus dem Zusammenspiel der Texte tatsächlich auch eine dis­kursive Vielstimmigkeit, die an eindeutigen Antworten und der»Schwarz­Weiß-Zeichnung im Grunde genommen nicht interessiert war«(S. 249).