haben ermöglichte. Nicht zuletzt liege seine Leistung in der poetischen Lösung des Widerspruchs zwischen alten literarischen Erfassungsweisen und neuer Thematik. Mit dem „Stechlin" allerdings habe er das „Testament des Bürgerlichen Realismus" (147, im Anschluß an F. Martini) unterbreitet.
Überblickt man das theoretische Grundgerüst, auf das sich die Interpretationen gestellt sehen, bleibt die eingangs geäußerte Skepsis. Man vermißt den Neuwert. Der Anspruch, das Netz zwischen Erzähler und Gesellschaftskritiker Fontane einsichtiger zu knüpfen, scheint auf diesem theoretischen Wege nicht recht einlösbar.
Den Hauptteil der Arbeit nehmen die Interpretationen ein, die sich (in dieser Reihenfolge) mit „Irrungen, Wirrungen", den sog. preußischen Zeitromanen („L'Adultera", „Graf Petöfy“, „Cecile", „Quitt", „Effi Briest" und die Fragmente) und dem „Stechlin" befassen. Vorzug im darstellerischen Aufwand erhalten die Geschichten von Lene und Botho und die vom alten Dubslav (zus. 119 S. gegenüber 12 S.!) „Letztmals wird in .Irrungen, Wirrungen", verallgemeinert Allen- höfer, „die alte Ordnung episch restituiert — und erstmals wird der Vierte Stand, der die stärkste soziale Bedrohung dieser Ordnung darstellt, thematisch konstitutiv." (61) Und beim großen Altersroman „Der Stechlin" sei der Vierte Stand „praktisch omnipräsent" (141), das, obwohl sein figuratives Gewicht relativ geringer als in „Irrungen, Wirrungen" ausfalle. Für diese Ermittlungen veranstaltete der Verfasser Figuren-Auszählungen, deren Ergebnisse er in kleinen Tabellen mitteilt. Neben kleineren Einwänden, die sich auf Einzelheiten der Interpretationen beziehen, muß resümierend bemerkt werden: die vorliegende Studie handhabt die angekündigte Methode zu schematisch, um zu neuen Ergebnissen zu gelangen. Der Autor verfehlt mit der dominierenden Absicht, die sozialen Schichten in Teilen des Fontaneschen Romanwerkes zu analysieren, wesentliche Informationen, die Fontanes Texte bergen. Notgedrungen vernachlässigt er den Erzähler Fontane (zu dem in den letzten Jahren Aufschlußreiches mitgeteilt wurde), ohne dafür überzeugende Beobachtungen aus ungewohntem Blickwinkel beisteuern zu können. Manche Andeutung — wie die bezüglich Fontanes Nähe zu Lassalles Positionen (146) — hätte man sich bündiger integriert gewünscht, weniger arabesk.
Zweifel möchte ich auch anmelden, ob die, nicht nur von Manfred Allenhöfer geäußerte, Auffassung, daß Fontanes später Realismus so ganz in dem der fünfziger Jahre wurzele, tatsächlich stimmt. M. E. korrespondiert der Realismus-Aufsatz 1853 mit parallelen Überlegungen von Julian Schmidt u. a„ während die späten Intentionen ihr gedankliches Potential aus anderen, zum Teil sehr verschiedenartigen Quellen schöpfen. Verkompliziert wird dieser Vorgang, da er sich mit demselben terminologischen Vokabular abwickelt, das 35 Jahre zuvor verwendet wurde. Insofern verdient der Schlußgedanke Allenhöfers — Fontanes Spätwerk als Anreiz für die Autoren der Jahrhundertwende — erneute differenzierte analytische Anstrengungen, die erst schrittweise aufgebracht wurden. Mit dem Realismus-Begriff, will mir scheinen, wird diesen Sachverhalten nur schwer beizukommen sein. Nur wenig trägt die angezeigte Untersuchung bei, um diesen schwierigen Fragen der neueren Fontane-Forschung zweckdienliches Argumentationsoder Dokumentationsmaterial zuzuführen.
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