Heft 
(2021) 111
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Fontane in der österreichischen Presse  Rasch 11 Die Wiener Neue Freie Presse mit einer längeren, die Wiener Militär-Zei­tung mit einer kürzeren Besprechung. Letztere, ein militärisches Fachblatt, hebt hervor, Fontanes Werk sei ein»in frischer, lebensvoller Sprache gehal­tenes« Buch und für breite Leserkreise geeignet. 3 Es habe die»militärischen Vorgänge richtig und erschöpfend« wiedergegeben. Der Rezensent schließt jedoch mit einem Böses ahnenden Bedauern:»Schade, daß die Publikation des Buches in eine Periode tritt, wo der Gegenstand desselben die folgen­schwersten Ereignisse im Gefolge hat.« Tatsächlich war die gemeinsame Kriegsbeute zum Zankapfel zwischen Österreich und Preußen geworden. Im Juni 1866 marschierten preußische Verbände in das von Österreich ­verwaltete Holstein ein, der Deutsche Krieg begann. Die österreichische ­Öffentlichkeit interessierte sich fortan nicht mehr für das Werk eines preu­ßischen Schriftstellers über den vorangegangenen deutsch-dänischen Kon­flikt. Es blieb, wie vom Rezensenten der Wiener Militär-Zeitung befürchtet, bei diesen beiden Rezensionen in der österreichischen Presse. Die Besprechung in der Neuen Freien Presse ist wesentlich ausführlicher. Verfasst wurde sie nicht von einem österreichischen Journalisten, sondern von einem Berliner Korrespondenten der Zeitung, und zwar, wie man dem Inhalt und Tenor des Artikels unschwer entnehmen kann, von einem Be­kannten oder Freund Fontanes. Was diese Kritik so außergewöhnlich und interessant macht, ist der Versuch des Rezensenten, den weithin unbekann­ten Fontane einem größeren Publikum vorzustellen. Dabei fokussiert er sich nicht nur auf das Werk Fontanes, sondern auch auf dessen Person. Zum ers­ten Mal kommt öffentlich eine Facette ins Spiel, die für das spätere Fontane­Bild(vor allem im 20. Jahrhundert) so ungemein wichtig wird: Fontanes Per­sönlichkeit. Das dazu passende Attribut»liebenswürdig«, hier im Superlativ »eine der liebenswürdigsten«, sollte man sich vormerken. Es wird später in Bezug auf Fontane inflationär gebraucht werden. Jakob Wassermann(er verwendet das Adjektiv in seinem Nachruf auf Fontane selbst dreimal) no­tiert schon 1898 ironisch,»dies Wort scheint doch eigens für ihn[Fontane] erfunden«. Wir begegnen ferner in dieser Kritik von 1866 skizzenhaft dem ersten ›Lebensbild‹ Fontanes in der zeitgenössischen Presse. So persönlich, so un­mittelbar-nahe ist über Fontane bis dahin noch nicht geschrieben worden. Man muss sich heute, da wir über umfassende Biographien und reichhaltige lebensgeschichtliche Detailkenntnisse verfügen, vergegenwärtigen, dass über Fontanes Person 1866 nur sehr wenig bekannt war. Biographische Ar­tikel gab es noch nicht. Der erste größere Beitrag, der auch Fontanes Le­bensweg thematisiert, sollte erst 1875 in der Familienzeitschrift Daheim er­scheinen, weidlich manipuliert und geglättet von Fontane selbst. 4 Bis dahin mussten sich interessierte Leser mit den dürftigen Auskünften aus Meyers Conversationslexikon begnügen, das schon 1853 Fontane in einem Supple­mentband zur ersten Auflage mit 8 Zeilen bedachte:»Fontane, Theodor,