Heft 
(2021) 111
Einzelbild herunterladen

Fontane in der österreichischen Presse  Rasch 15 gar nicht vorhanden) ragte ein wenig aus der Masse vergleichbarer Schrift­stellerkollegen heraus. Nicht etwa, weil sich seine Gedichte gut verkauften, ­sondern weil seine Verse bei Anthologie-Fabrikanten und-Herausgebern beliebt waren. Das von Lorm skizzierte Missverhältnis zwischen magerer Verkaufsquote der Gedichte Fontanes auf der einen Seite, Ausschlachtung des Originalbändchens für Blütenlesen andererseits war augenfällig. Seit den 1850er Jahren war Fontane in Sammelwerken, Prachtalben, Auswahl­bändchen, Almanachen, Lesebüchern vergleichsweise gut vertreten. Dieses modebedingt starke Marktsegment des Buchhandels blieb für lange Zeit die einzige sprudelnde Quelle für seinen(immer noch bescheidenen) Bekannt­heitsgrad. Und auf diese Präsenz in den einst so populären Blütenlesen dürf­te sich Lorms Terminus des»Berühmten« Fontane beziehen. Präsenz in Sammelwerken bedeutete jedoch auch, nur einer unter vielen zu sein, Lob, Bewunderung, Anerkennung mit anderen teilen zu müssen, in Besprechun­gen von Anthologien nur mit genannt zu werden. Hohe Zeit also für Lorm, ein Loblied auf den»Ungewürdigten« anzustimmen und ihn endlich einmal aus der Masse der anderen kleinen und großen Dichter-Berühmtheiten her­vortreten zu lassen. Lorm klagt darüber, wie schwer sich gute Lyrik in Deutschland durch­setze. Und dass gegen auflagenstarke Modebücher wie Oskar von Redwitz´ Amaranth(1849) oder Gustav von Putlitz´ Was sich der Wald erzählt(1850) Fontanes Gedichte(1851) kaum eine Chance gehabt hätten. 13 Doch anders als bei den Lieblingsbändchen eines weitgehend kritiklosen Publikums sieht Lorm in Fontanes Versen»das ewige Moment der Poesie« aufleuchten, hebt die einzigartige Stellung Fontanes als Balladendichter in Deutschland hervor und bekräftigt den dauerhaften Kern einer Lyrik, der er eine große Zukunft prophezeit. Mit dem Bild»vom armen deutschen Poeten«, das(wie wir heute wissen) auf Fontane keineswegs zutraf, geht er schließlich in sei­nem Feuilleton auf ein anderes gesellschaftliches Phänomen über, das der »Frauen-Emancipation«. So ist die Huldigung des Lyrikers Fontane um­rahmt von Betrachtungen zur sozialen Lage des Dichters und zu den(da­mals noch nicht so genannten) aktuellen ›Genderfragen‹, die sich an Schrif­ten von Hedwig Dohm knüpfen. Fontane dürfte erfreut gewesen sein, von diesem prominenten Vertreter der österreichischen Presse so auf den Schild gehoben zu werden. Lorms Stimme hatte Gewicht. Ob Fontane den Feuilletonartikel jedoch jemals zu Gesicht bekommen hat, wissen wir nicht. Der Name Lorms taucht in seinen Werken, Tagebüchern, Briefen an keiner Stelle auf. Noch in einer anderen Hinsicht kommt dem Beitrag Lorms eine besondere Bedeutung zu: Bislang ist keine Rezension der Gedichte Fontanes in der österreichischen Tages­presse nachzuweisen. Die großen österreichischen Zeitungen haben den Ly­riker Fontane offenbar gänzlich ignoriert. Dieses Schicksal teilt der Lyriker Fontane mit dem ›Wanderer‹. Denn auch seine Wanderungen durch die Mark