Heft 
(2021) 111
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Fontane in der österreichischen Presse  Rasch 17 und Novellensammlungen Wassermanns, nachdem die Verhandlungen mit Friedrich Fontane über die Publikation von Wassermanns erstem Roman gescheitert waren. 1900 wechselte Wassermann zu S. Fischer, wo er in den 1920er ­Jahren zum bedeutendsten Romanautor neben Thomas Mann avan­cieren sollte. 1898 war Wassermann von der Frankfurter Zeitung als Theaterkritiker nach Wien geschickt worden. Hier schloss er mit Arthur Schnitzler Freundschaft, lernte Hugo von Hofmannsthal und Richard Beer-Hofmann kennen und schrieb für mehrere Wiener Blätter. Welche Beziehungen Wassermann speziell zur Arbeiter Zeitung hatte, dem laut Untertitel offizi­ellen Organ der österreichischen Sozialdemokratie, ließ sich nicht feststel­len. 20 Diese hatte am 22. September 1898 Fontanes Tod gemeldet und einen knappen Nachruf geliefert, der im Wesentlichen auf lexikalisch-kurze bio­graphische Angaben und die Aufzählung von Werktiteln bestand. 21 Diese Art seelenloser, massenhafter Nekrolog-Fabrikation, die am Ende eine Art Schlussrechnung aufstellt,»wie viel man durch ihn[den Verstorbenen] verdient hat«, moniert Wassermann in seinem Gedenken an Fontane. Er nähert sich dem Hingeschiedenen sowohl mit nachdenklichen als auch warmen, subjektiven Tönen. Nicht nur Wolzogens Erzählungen haben ihm die eindrucksvolle Persönlichkeit Fontanes wiederholt vergegenwärtigt. Auch der Autor selbst, seine Werke, vor allem sein letztes Buch Von Zwan­zig bis Dreißig haben in»unvergleichlichen Stunden« der Lektüre eine ganz persönliche, innige Verbindung hergestellt. Wassermann widmet seinen letzten Leseeindrücken den gesamten vorletzten Absatz. Fontane ist ihm mit seiner Lebensgeschichte ganz nah gekommen: Ein Idealbild als Mensch, Persönlichkeit und Dichter, das da vor Wassermann tritt, frei, un­befangen, lebenserfahren-klug, ein»Allesversteher« und»Allesverzeiher«, ein Anti-Spießbürger par ecellence, der zur Abgrenzung gegenüber den Philistern(›Bourgeoise‹ hätte Fontane vermutlich gesagt) den»Bohémien« gar nicht herauskehren muss.»Es muß wundervoll gewesen sein«, so schwärmt Wassermann,»mit ihm zu verkehren.« Das bewegende Fontane-Memorial des Fünfundzwanzigjährigen in der sozialdemokratischen Tageszeitung ist offenbar Wassermanns einzi­ger Fontane-Beitrag geblieben. Die Wiener Arbeiter-Zeitung hat hinge­gen ­Fontane auch später noch seinen Lesern empfohlen, so 1905 mit einer Besprechung von Fontanes Causerien über Theater und einer von Fontanes Briefen an seine Familie, beide aus der Feder des österreichischen Politikers Engelbert Pernstorfer(1850–1918), der lange Redakteur des Blattes war. Auch zur Säkularfeier Fontanes 1919 erschien in der Arbeiter-Zeitung eine umfangreiche Würdigung, die ganz anders als Wassermanns Gedenkarti­kel 21 Jahre zuvor nunmehr politisch-historische Hintergründe, klassen­kämpferische und weltanschauliche Zusammenhänge hervorhebt. 22