Fontane in der österreichischen Presse Rasch 19 1. Ein namenloser Korrespondent Neue Freie Presse. Wien. Nr. 623, 26. Mai 1866, Abendblatt Schleswig-Holstein. (Berliner Brief.) (»Der schleswig-holstein´sche Krieg im Jahre 1864.« Von Th. Fo n t a n e. Berlin, 1866. Decker´sche Hofbuchdruckerei. 4. 374 S.) T h e o d o r Fo n t a n e ist eine der liebenswürdigsten Dichter-Erscheinungen in der Berliner literarischen Republik. Eine gewisse vornehme Zurückhaltung hat ihn, obwol er schon über zwanzig Jahre den Pegasus reitet, nur in beschränkteren Kreisen bekannt gemacht. Seine Jugend war in Wirklichkeit ein Dienst der Musen; er trug und schlug mit einer reinen Begeisterung die Leier und lebte still und glücklich in seiner eigenen Welt. Es war eine Welt der Romantik, und wie gesättigt er im Genuß derselben sich fühlte, bewiesen seine durch Eleganz der Form wie durch Poesie des Inhalts sich auszeichnenden Gedichte. Keine Leidenschaft darin, kein Stürmen und Drängen der überquellenden Natur, sondern eine gewisse classische Klarheit und jene heitere Ruhe, die sich durch Harmonie der inneren Welt erzeugt. Das Jahr 1848 brach mit seinem Sturm in diese Welt des Dichters; seine holde Romantik floh entsetzt vor der wilden Prosa der Zeit, und förmlich in einer Art von Verzweiflung heftete sie sich an die letzte Romantik, die des gleichfalls umdräuten und umtoseten Königthums. Die Leier war gesprungen und der Dichter schwieg. Erst nach und nach ließ er sich in einzelnen Strophen wieder vernehmen; aber es waren nur Klagen über den Verlust einer romantischen Welt, die er geliebt. Fontane suchte seinen Trost in dem Royalismus, und die Kreuzzeitung öffnete der einzigen Dichternatur von geistigem Adel und Talent, die sich ihr anschloß, ihre Spalten. Eine Krisis kam über Fontane; er quälte sich mit der Romantik seiner Neigungen ab und suchte sich an die Prosa der Zeit zu gewöhnen; er durchreiste England, er durchwanderte die Mark Brandenburg, diese prosaischeste aller deutschen Landschaften, und es gelang ihm, sie in seinen Schilderungen mit einer bestechenden Romantik auszustatten. Mit dem Auge eines Dichters gesehen, mit poetischer Innigkeit geschildert, war seine brandenburg´sche Sandmark ein liebliches, idyllisches Land mit blauen, klaren, träumerischen Seen, mit dunklen Tannenwäldern, mit alten Burgen und Schlössern, an deren Gemäuer uralter Epheu sich rankt, in deren Thürmen die Sagen noch aus der Wendenzeit spielen. Nicht ohne Verwunderung mußte man daher ein Buch aus der Feder Fontane´s entgegennehmen, welches sich als eine Geschichte des schleswigholstein´schen Krieges ankündigte. War es anzunehmen, daß Fontane dabei den ehernen Griffel gebraucht habe, mit dem man Schlachten beschreibt – er, dessen Feder so zart und fein sich erwiesen? Konnte man überhaupt nicht
Heft  
(2021) 111
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