Heft 
(2021) 111
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20 Fontane Blätter 111 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes den Kopf schütteln darüber, daß eine ausgesprochene Dichternatur sich in die Hallen Klio´s geflüchtet? Wahrlich, als wir das Buch zur Hand nahmen, dachten wir immer noch, in Versen, in epischen Gesängen Scenen aus dem letzten Kriege gefeiert zu finden eine poetische Kriegshistorie, welcher Fontane die Romantik der Thatsachen wie der royalistischen Idee abgewon­nen habe. Nicht gering war daher die Enttäuschung, einer Geschichte des Feldzugs in aller Form und Ausführlichkeit, in einer fast minutiös detaillirten Anlage zu begegnen. Statt eines dichterischen fanden wir einen fast dürren, trocke­nen Chronikenstyl; statt poetischer Ausschmückung und Bearbeitung über­all nur die schlichte Prosa der Thatsachen. Wenn der Verfasser, wie er es fast alle paar Seiten thut, die subjective Bemerkung fallen läßt, er werde den Le­ser nun erst mit diesem oder jenem Vorfall, dieser oder jener Person oder Thatsache bekannt machen, ehe er fortfahre, so bestärkte uns dies in der Annahme, Fontane habe sich mit dieser Beschreibung der Kriegsgeschichte von 1864 die Aufgabe gestellt, nur mit den Factoren der Prosa zu rechnen. Es ist, als wäre diese Dichternatur jetzt auf einen anderen Boden gerathen, auf dem sie sich heimisch zu machen sucht, um wieder, obwol nicht mehr in der alten Weise, productiv zu werden. Das Werk ist mit ebenso großem Fleiß wie Gewissenhaftigkeit gearbei­tet. Es beginnt mit einer historischen Einleitung, welche die Geschichte der Herzogthümer bis zum letzten Kriege umfaßt. Fontane knüpft hiebei nur sehr lose an die sittliche Idee an, welche die Befreiung der deutschen Her­zogthümer vom dänischen Joche zu einer nationalen Sache des deutschen Volkes machte, und die in dem Selbstbefreiungskriege der Schleswig-Hol­steiner von 1850 am klarsten und höchsten ausgedrückt war. Man kann die­sen Mangel übersehen, da hierüber noch kein geschichtliches, sondern erst nur ein politisches Urtheil möglich ist. Dagegen sucht der Verfasser den Gang der diplomatischen Unterhandlungen und dann der kriegerischen Thatsachen mit Unbefangenheit darzustellen und kritisch zu beleuchten. Hauptsächlich jedoch hat er sich an diese Thatsachen des Krieges selbst ge­halten und sie in so großer Ausführlichkeit und in so nüchterner Ordnung erzählt, daß das Ganze als eine sehr umsichtige Sammlung des bezüglichen Materials namentlich einer späteren Geschichtschreibung von anerken­nenswerthestem Nutzen sein wird. Die erste Abtheilung dieser Monogra­phie behandelt das Dannewerk und dessen Räumung seitens der Dänen; derselben folgt Düppel, Beschreibung der Schanzen, der Belagerung, des Lagerlebens, der Eroberung; dann schließt sich die Erzählung der Kriegs­thaten in Jütland, der Gefechte zur See, endlich des Uebergangs nach Alsen und der Einnahme des nördlichen Jütland an. Fast keine der interessanteren Scenen in diesem Kriegstableau, sowol auf preußischer wie auf österreichi­scher Seite, ist unbeachtet geblieben, und dadurch hat das Werk auch seine wohlthuende Mannichfaltigkeit im Stoff und ein wärmeres Colorit erhalten.