Heft 
(2021) 111
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32 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich Wie kleidet man»Kriege« ein? Die Verlagseinbände der ersten Buchausgaben Theodor Fontanes(VI) Georg Wolpert Lorbeerzweige schwarz gezeichnet immergrün Lorbeerkränze blind und golden siebenschön In der Infirmerie, einer Krankenstation im alten Donjon von Moulins, wo der kriegsgefangene Theodor Fontane bei einem der Zwischenhalte auf dem Weg zum Bestimmungsort seiner Internierung, der Insel Oléron im Atlan­tik, für eine Nacht untergebracht wird, stößt er am Vormittag des 3. Novem­ber 1870 auf ein Buch über Napoleons Feldzüge, La grande Armée. 1 »Ich las 50 Seiten: das Lager bei Boulogne, die Capitulation von Ulm, Austerlitz, zu­letzt Jena, nach diesem hatte ich genug; ich war verstimmt. Und ich glaube mit Grund. ›Solche Bücher,‹ sagt ich mir, ›schreibst du selbst. Sind sie eben­so, so taugen sie nichts. Die bloße Verherrlichung des Militairischen, ohne sittlichen Inhalt und großen Zweck, ist widerlich. Damit klappte ich das Buch zu und sah wieder auf die Cathedrale hinüber.« 2 Dieser Satz findet sich wohl nicht ganz zufällig genau in der Mitte dieser seiner Erinnerungen an seine Kriegsgefangenschaft. Moulins liegt zudem auf halbem Weg zwischen Domrémy, dem Ort der Gefangennahme, und dem Ziel seiner»Reise«: der Insel Oléron. Und nicht zuletzt doch das kann Fontane noch nicht wissen, als er diesen Satz notiert bezeichnet der Zeit­punkt der Notation präzise die Mitte jener zwölf Jahre, die Fontanes schrift­stellerische Arbeit an den Kriegsbüchern umfaßt. Das erste seiner großen Kriegsbücher sowie der erste Halbband seines zweiten sind bereits veröf­fentlicht; der zweite Halbband von Der deutsche Krieg ist unter der Feder und die Arbeit am letzten und umfangreichsten hat mit der Reise nach Frankreich gerade erst angefangen. Doch die entscheidende Frage hat er sich nun selbst gestellt: Ist es ihm gelungen und wird es ihm gelingen, das »Militairische« nicht bloß verherrlichend darzustellen, sondern dabei auch den»sittlichen Inhalt und großen Zweck« der drei Kriege nicht zu verges­sen? Denn auch ein»großer Zweck« heiligt nicht jedes Mittel 3 und der»sitt­liche Inhalt« einer Darstellung des Krieges darf die Fragen der Humanität,