Heft 
(2021) 111
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Wie kleidet man Kriege ein?  Wolpert 33 die Schattenseiten, die rohe Gewalt, das Leiden und das Sterben nicht aus­schließen. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Theodor Fontane ganz anders als beispielsweise Theodor Storm 4 oder Wilhelm Raabe 5 ein Leben lang an seiner letztlich positiven Grundeinstellung zu allem Militärischen festgehal­ten hat. Noch in seinem letzten Roman, um hier nur ein Beispiel zu nennen, wird ohne jede erzählerische Distanz das Kasino der Gardedragoner be­schrieben, an der Wand»ein ruhmreiches Erinnerungsstück aus dem sechs­undsechziger und siebziger Kriege: die Trompete, darauf derselbe Mann, Stabstrompeter Wollhaupt, erst am 3. Juli auf der Höhe von Lipa und dann am 16. August bei Mars la Tour das Regiment zur Attacke gerufen hatte, bis er an der Seite seines Obersten fiel; der Oberst mit ihm.« 6 Müssen wir diese Passage in einem erzählenden Werk etwa ebenso ei­nem»Sentimentalismus des Autors« zuschreiben so Dieter Bänsch 7 in seinem kritischen Beitrag zu den Kriegsbüchern Fontanes wie die gele­gentlichen»Ausrutscher« und»Momente von Verschrecktheit« in einer verherrlichenden Darstellung der drei Kriege, die doch letztlich»keine Trübung des hurraerfüllten Patriotismus« erkennen läßt? Oder dürfen wir dem Fontane der Kriegsbücher bei aller Würdigung der militärischen Aktionen und Leistungen einerseits und den politischen Erfolgen der Bismarckschen Kriege andererseits auch ein wirkliches Er­schrecken und eine hinterfragende Kritik zutrauen? Gerade auch, wenn er »nur« die Stimmen anderer, die dem Grauen unmittelbar ins Angesicht ge­schaut haben, zu Gehör bringt? Denn das ist festzuhalten er geht als Berichterstatter nicht vorbei an den furchtbaren Lazarett-Szenen, an den sterbenden und gefallenen Soldaten, an dem entsetzlichen Elend am»Tage nach der Schlacht«. 8 Er thematisiert die einer bloß militärischen Ehrsucht geschuldeten Opferzahlen bei der Erstürmung von St. Privat. 9 Er erzählt von einem als Wachtstube dienenden Grab dicht an der Mauer des Kirch­hofs bei den Kämpfen um Le Bourget. 10 Er zitiert einen Besucher, der am Abend nach dem Überfall von Beaumont die Dorfkirche besucht, wo»Hun­derte von Verwundeten, Deutsche und Franzosen stöhnten, jammerten, wimmerten, starben«. 11 Oder einen preußischen Offizier, der von einem Be­schießen feindlicher Truppenteile erzählt, die in Auflösung und völligem Durcheinander vor der eigenen Front vorüberziehen;»ein Vorbeischießen war bei der Länge und Tiefe der Colonne nicht möglich; stumm und unthä­tig wie eine Zugscheibe zog sie vorüber. Die Wirkung war entsetzlich ein widerstandsloses Morden mißgeleiteter und durch schlechte Führung wehrlos gewordener Menschen«. 12 Auch von Deutschen begangene Kriegs­verbrechen verschweigt Fontane nicht. 13 Am meisten zu Herzen aber geht sicherlich das Kapitel»La maison blanche« im zweiten Band seiner Osterrei­se durch Nordfrankreich und Elsaß-Lothringen Aus den Tagen der Occup­ation, wo ihm der Curé von Beaumont drei Kinder vorstellt,»zwei niedliche