Heft 
(2021) 111
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102 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich unbedeutend oder nebensächlich erscheinende Detail in dem gewaltigen Ganzen im Klaren sind. Und an dieser Emsigkeit, zu welcher uns die Lektüre des Werkes anhält, trägt nicht allein der unser Nationalgefühl erhebende Stoff bei, ebenso und in fast gleichem, ja sogar beflügeltem Schritte die Art und Weise des Erzählens und Berichtens. Fontane hat von jeher seine Meis­terschaft bekundet, den Reiz der Poesie in seinen Bildern und Erzählungen wirken zu lassen. Seine feine Beobachtungsgabe schließt selbst bei anschei­nend unbedeutenden Dingen, bei Schilderungen der Natur und der Men­schen, in denen das gewöhnliche Auge nichts sonderliches entdeckt, diesen poetischen Reiz nicht aus. Dabei weht ein frischer, liebenswürdiger Humor, dann wieder ein stimmungsvoller Ernst in seiner Erzählungsweise und macht sie anziehend. Vor allen Vorzügen muß man aber den einer völligen Gesundheit der Anschauungen auf das Wärmste schätzen. Diese Vorzüge, auf ein Werk, wie das vorliegende, mit einem Stoff übertragen, vor welchem ein nicht fachkundiger Schriftsteller von vornherein zurück schrecken wür­de, weil ihm die Größe der Aufgabe über seine Kräfte zu ­gehen scheine, lassen es in seinen Einzelheiten um so interessanter erscheinen. Der Anreiz liegt nicht allein in dem patriotischen Gefühl, in der hingebenden, begeis­ternden Liebe, welche die schwere Arbeit entstehen ließ, er liegt auch in der vorstehend berührten gesunden Anschauungsweise, die einen pedanti­schen Doktrinarismus ganz meidet, die überall in die düstersten Bilder Licht, Leben und Wärme bringt, die für jede Wunde, die der Krieg geschla­gen, lindernden Balsam herbeizutragen weiß, für jede heitere Stunde in die­sen Tagen äußerster Anstrengung und Aufbietung aller Kräfte den guten Geist Humor an die flüchtige Minute zu fesseln weiß. Fontanes Buch ist ein gebildetes Volksbuch im besten Sinne des Wortes. Große Treue, große Liebe für die große Sache spricht aus demselben! Dabei ein objektiver, edler Patri­otismus, der am Feinde die guten Seiten anerkennt, ohne seine schlechten zu verschweigen, und die jenseits der Mosel noch immer hoch gehende Preu­ßenfresserei nicht mit Franzosenfresserei, also in gleicher Münze bezahlt. Wie Fachmänner über Fontanes Werk urtheilen mögen, kann ein Kritiker aus dem Laienstande nicht wissen. Für Fachmänner ist es auch nicht in dem Sinne geschrieben, daß es einen leitenden Maßstab abgeben sollte. Aber dem gesammten gebildeten Laienstande wird es ein lieber Führer sein, wird ihm nochmals alle die Orte, die Märsche, die Situationen in hellem Lichte erscheinen lassen, wie sie ihm vor vier Jahren deutlich waren, wie sie jetzt hin und wieder etwas verblaßt sein mögen. Und so bleibe denn dieser erste Band:»Der Krieg gegen das Kaiserreich« dem deutschen Volke bestens emp­fohlen! Freilich erscheint er erst nach längerer Zeit, aber er erscheint nach­haltig und wird weitaus die vielen Bücher überholen, welche die Spekulation dem augenblicklichen Bedarf darbot und die, so weit sie Unterzeichneter zu Gesicht bekam, kaum das Flüchtige einer Ephemeriden-Arbeit von ihrer Stirn verbannen konnten. Hoffentlich haben wir, nachdem ja das Material