Heft 
(2021) 111
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Rezensionen zu Bd. 1.2 107 Krieg kennen, welches in so hohem Grade unterhaltend wäre, ohne dabei darauf zu verzichten, auch dem Ernst seiner Aufgabe erschöpfend zu genü­gen. Die Franzosen sagen von einem ihrer Dichter, er habe die Guillotine vergoldet; von Fontane können wir sagen, er habe dem männer-mordenden Kriege mehr, als ein Anderer, seine menschlichen und versöhnenden Seiten abgewonnen. Zerstreut zwischen den großen Bildern der Märsche und der Schlachten, welche uns mittels einer großen Anzahl von Plänen anschau­lich gemacht werden, finden wir die reizendsten Genrebilder und Cultur­scenen, welche oft noch die berühmten Dorf- und Kriegsgeschichten von Erckmann-Chatrian übertreffen. Kurz, Fontane ist Dichter, epischer und idyllischer Dichter zugleich. Aber Dichter mit Einschränkung. Nämlich Dichter genug, um die mit Sorgfalt gesammelten und mit Kritik gesichteten Stoffe plastisch und anschaulich zu gestalten. Aber nicht auch soweit Dich­ter, daß er seiner Phantasie die Zügel schießen ließe und uns über die Wirk­lichkeit und Wahrheit hinausführte. Gegenüber dem exacten Fachwerke(1) und der naiven kritik- und form­losen Complication von Zeitungsartikeln(2), wird Fontane sich stets der Gunst der großen Mehrzahl der Leser erfreuen und er verdient dieselbe durch strenge und zuverlässige Forschung und geschmackvolle künstleri­sche Darstellung. Beides findet man leider in Deutschland so selten verei­nigt, daß bei uns die gedankenlosen Leute sogar glauben, eine geschmack­lose Darstellung habe die Vermuthung der Wissenschaftlichkeit für sich, und eine geschmackvolle habe sie gegen sich. Seltsamer und verhängniß­voller Irrthum! 30. Ludwig Pietsch. In: Vossische Zeitung(Sonntags-Beilage), 21. Juni 1874. Der Krieg gegen Frankreich 1870–1871 von Theodor Fontane. I. Band: Der Krieg gegen das Kaiserreich. II. Halbband: Von Gravelotte bis zur Capitula­tion von Metz(19. August bis 27. Oktober 1870). Berlin 1873. Verlag der kö­nigl. Geh. Oberhofbuchdruckerei(R. v. Decker). Mit diesem zweiten Halb­band schließt der starke erste Band des Fontaneschen Kriegswerkes und in ihm die Darstellung des gegen das Kaiserreich geführten Krieges ab. Ueber den ersten Halbband, welcher die Geschichte des Feldzuges bis(einschließ­lich) zur Schlacht von Gravelotte erzählte, haben wir gleich nach seinem Er­scheinen im vorigen Jahre an dieser Stelle berichtet. Die Eigenthümlichkei­ten und die Vorzüge, welche Fontanes Behandlungsweise seines ungeheuren Stoffs von der so vieler Andrer unterscheiden und auszeichnen, die seit drei Jahren die gleiche Aufgabe zu lösen versuchten, verleugnen sich auch in die­sem zweiten Halbbande nicht. Sein viel umfassender Inhalt gliedert sich in die Abschnitte: Der Vormarsch der III. und IV. Armee in westlicher Rich-