Heft 
(2021) 111
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Rezensionen zu Bd. 1.2 109 gen geometrischen Aufrissen, giebt er unsrer Vorstellung von den Ereignis­sen sofort den festen Anhalt, das solide Knochengerüst der lebendig reichen, großen und furchtbaren Bilder derselben. In besonders dankenswerther Weise aber versteht er es, sein veranschaulichendes Wort noch zu unterstüt­zen durch kleine in den Text hineingezeichnete Marsch- und Schlachtpläne. Er beschränkt sich dabei auf die nothwendigsten Linien und Punkte. Aber sie sind so geschickt gewählt und gegeben, daß wir über das Terrain, die Straßen, Flüsse, Orte, auf welche es ankommt, über Stellungen der Armeen und Corps, Richtung ihrer Märsche, Angriffe, Rückzüge sofort im Klaren sind. Der Eindruck wirren Durcheinanders, den uns auch gepriesene Schil­derungen solcher Aktionen von kundigsten Federn sonst selten ersparen, empfangen wir hier keinen Augenblick. Die Scenerie dieser Ereignisse, Ter­rain und Landschaft, kennt Fontane durch eigne Anschauung und Studium ganz genau. Wie ihm dieser für seine innere Vorstellung gewonnene Besitz einerseits zum größten Vortheil gereicht, so kommt ihm dagegen der Man­gel des eignen Dabeigewesenseins bei den einzelnen Aktionen nicht minder zu gute. Die richtige Abwägung, die Ein- und Unterordnung des Details in das große Gesammtbild läuft dadurch geringere Gefahr, zu Gunsten des zu starken Hervorhebens, der zu breiten Schilderung solcher Einzelheiten ge­schädigt zu werden, welche des Darstellenden überwiegend lebhaftes Inter­esse schon dadurch in Anspruch nehmen, daß er persönlich als Zeuge oder mitwirkend an ihnen betheiligt war. Um der Schilderung der Einzelvor­gänge wie der eigentlichen Erscheinung der kriegerischen Operationen, der Märsche, Gefechte, Belagerungen, Bombardements, Lager, des persönli­chen Verhaltens der Führer, der Soldaten und der Bevölkerungen aber das rechte lebendige Lokal-Colorit zu verleihen, sind die frischen, unter dem un­mittelbaren empfangenen Eindruck der Wirklichkeit niedergeschriebenen Berichte des Gesehenen und Erlebten durch sehensfähige Augenzeugen und Mithandelnde unschätzbar. Keine noch so lebhafte Phantasie des nur nach den Dokumenten arbeitenden Kriegsgeschichtsschreibers vermöchte sie ganz zu ersetzen. Fontane ist sich dessen vollkommen bewußt. Er hat dem­gemäß nie gezögert, aus der überreichen Fülle solchen Materials, wie Me­moirs und Privatbriefen von Soldaten, Offizieren, Aerzten, Feldgeistlichen, Einwohnern der betreffenden Ortschaften und ebenso aus den Berichten der Kriegs-Correspondenten deutscher, englischer und französischer Jour­nale Das, was ihm für jenen Zweck besonders geeignet schien, auszuwählen, zu entlehnen und der eignen Darstellung der großen Ereignisse an den pas­sendsten Stellen einzufügen. Und zwar durch Anführungszeichen jederzeit deutlich als fremdes Gut markirt, nicht, wie es Andere wohl gethan haben, so verschmolzen, daß die Eigenthumsgrenzen verwischt wurden. Indem Fontane in solcher Weise der Schilderung des Beobachters oder Mithan­delnden aus dem befreundeten Lager die aus dem feindlichen gegenüber­stellt, gewinnt das Gesammtbild die wünschenswerthe Allseitigkeit für un-