Heft 
(2021) 111
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110 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich sere Anschauung. Indem er Erzähler von den verschiedensten Stand- und Gesichtspunkten die selbst im Feuer kämpfenden und verwundeten Offi­ziere und Soldaten, wie die zu ungestörterem Betrachten in glücklichster Stellung Placirten, sogar uns zeichnerische und feuilletonistische»Schlach­tenbummler« zu Worte kommen läßt, wird jede Monotonie der Darstel­lung vermieden. Niemals hört man jenen Strom poetischer Prosa, der pathe­tischen, bilderreichen, schwungvoll erhabenen, patriotisch-weihevollen Schilderung einförmig dahinrauschen, der aus so vielen Kriegsgeschichten so tödtlich ermüdend für den Leser klingt. Dem Kapitel über die Schlacht von Sedan ist das Nachspiel der gewaltigen Tragödie dieses Tages: eines über Wilhelmshöhe und seinen kaiserlichen Gefangenen; dem Abschnitt, welcher die Belagerung von Metz seit dem Tage von Gravelotte und Bazaines Capitulation behandelt und in lebensvollster Plastik in allen wechselnden Phasen des vorschreitenden Unterganges der französischen Sache schildert, ein Kapitel über den großen»Verräther« und seinen Prozeß angeschlossen. Darin übt Fontane des Geschichtsschreibers Pflicht und Recht, die Akten über die von der öffentlichen Meinung der Zeit und besonders der Landes­genossen in gewohnter Parteibefangenheit Verurtheilten über den Kaiser und den Marschall noch einmal einer gründlichen, objektiven Prüfung zu unterziehen. Das Resultat und das Urtheil, das er findet, lautet wesentlich abweichend. Wir sind darum nicht weniger überzeugt, daß das spätere Ver­dict der parteilosen»Weltgeschichte« ziemlich genau mit diesem Fontanes zusammen stimmen wird. Ueber die unbedingte Richtigkeit und Genauig­keit in der Darstellung seines Buchs in Bezug auf die rein militairischen Din­ge muß der Fachkritik die Entscheidung überlassen bleiben. Ein Irrthum fällt mir auf. Das Kapitel über»Lager von Claires« beginnt mit den Worten: »Die französische Armee, welche am 3. September Morgens, nachdem sie in Sedan die Waffen niedergelegt, aus dieser Festung abzurücken begann« etc. Da ich selbst, an der Brücke von Sedan stehend, am Nachmittag des 2. schon bis zur Dämmerung ca. 25,000 Mann dieser Armee und zwar mit den Waf­fen(die erst auf der Maaswiese draußen niedergelegt wurden) mit eigenen Augen abrücken gesehen habe, so darf ich wohl jene Angabe als ungenau bezeichnen. Das ganze Buch, wie volksthümlich im besten Sinn, wie allgemein ver­ständlich und genießbar es auch gehalten ist, wie wenig es die abweisende Sprödigkeit militairischer Fachschriften theilt, hat dennoch durchweg et­was wohlthuend Künstlerisch-Vornehmes. Diesem charakteristischen Ge­präge desselben hat die Verlagshandlung auch die äußere Erscheinung ge­nau entsprechend angepaßt, in Papierdruck, Gesammtausstattung. Man meint es dem schönen, stattlichen, splendid gedruckten Bande schon anzu­sehen und anzufühlen, daß er die Fassung eines feinen, würdigen, mit wahrhaftigem Sinn, redlichem, gewissenhaften Ernst, Beherrschung des Stoffs und vollendetem Geschmack und Takt gearbeiteten Kunstwerks der