Heft 
(2021) 111
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112 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich fentlichten Schriften. Fontane kommt zu dem Schluß, daß es die innern Ver­hältnisse und die aus diesen entstandenen mannichfachen Verlegenheiten der französischen Regierung gewesen seien, welche den Kaiser zur Kriegs­erklärung veranlaßten, daß die Masse des Volks keineswegs kriegslustig ­gewesen sei, sich indeß ohne besondere Schwierigkeit in der gewünschten Richtung habe fortreißen lassen, nachdem die Kriegsfrage einmal öffent­lich gestellt und von chauvinistischer Seite an die nationale Ehre appellirt worden war. Aus der moralischen Zerrüttung der socialen Verhältnisse und dem Nichtvorhandensein einer im Volksbewußtsein festgewurzelten Regie­rungsform erklärt Fontane dann die Möglichkeit, ein so zahlreiches, dabei fleißiges und sparsames Volk mit Hülfe von ein paar ziemlich nichtssagen­den Erklärungen der Regierung und einigen Zeitungsartikeln zu einem An­griffskriege gegen einen Nachbarstaat zu bestimmen, der erst wenige Jah­re zuvor die Welt durch außergewöhnliche Leistungen auf militärischem Gebiete überrascht hatte und deshalb keinenfalls als ein gering zu schätzen­der Gegner anzusehen war. Soweit es sich um das französische Volk handelt, dürfte Fontanes Ansicht für zutreffend zu erachten sein, denn durch den fortwährenden Wechsel der Regierungsformen sind die Franzosen daran gewöhnt worden, unter Verzicht auf eigene politische Ueberzeugung und in rascher Aufeinanderfolge bald dieser, bald jener Parteiregierung zu gehor­chen. Die Masse des Volks ist zu träge und unselbständig, um gegen extreme Parteien Widerstand zu leisten. Bei dem Kaiser Napoleon dürften indeß keineswegs die durch die inne­ren Wirren der Regierung bereiteten Verlegenheiten den Entschluß zum Kriege gegen Preußen hervorgerufen, sondern nur den Zeitpunkt des Be­ginns beeinflußt haben. Dieser Krieg war im Princip seit Jahren eine be­schlossene Sache, deren Ausführung nur verzögert wurde, weil man die Stärke des Gegners kannte und mit den eigenen Vorbereitungen, namentlich mit der von Mar-[S. 344]schall Niel begonnenen Reorganisation des Heers, noch nicht weit genug vorgeschritten war. Wahrscheinlich wurde nach die­ser Richtung der Kaiser von seinen militärischen, namentlich aber von sei­nen politischen Rathgebern irrthümlich berichtet und rechnete auf auswär­tige Unterstützung, bevor dieselbe fest zugesichert war. Die Kaiserin und die römisch-klerikale Partei des Hofs haben dann, wie auch Fontane mit man­chen recht interessanten Details berichtet, in der entscheidenden Stunde von dem schwankenden, körperlich gebrochenen Kaiser die ihren Wün­schen und Interessen entsprechende Entscheidung zu erlangen gewußt. Was die Darstellung der eigentlichen Kriegshandlungen anlangt, so fin­det man in Fontanes Werk keine Detailbeschreibung der Schlachten und Belagerungen, vielmehr nur kurze anschaulich geschriebene Uebersichten des Verlaufs der hauptsächlichsten und für die Entscheidung maßgebenden Kriegshandlungen. Weit eingehender sind dagegen das Leben im Felde, das Treiben in den Lagern und französischen Städten, die Wünsche, Freuden