Heft 
(2021) 111
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Rezensionen zu Bd. 2.2 125 Das Achselzucken aber, mit welchem man dies fürchterliche Wort auszu­sprechen pflegt, wirkt auf den vorurtheilslosen Beobachter oft recht ko­misch. Wie Vielen von denen, die mit höllenrichterlichem Ernste das To­desurtheil»Dilettantismus« fällen, wäre von ganzem Herzen etwas»diletto« zu wünschen: etwas von echter unbefangener Freude an dem von ihnen be­schriebenen Gegenstande, der ihnen ja oft genug nur noch als ihre Special­domäne, gar nicht mehr um seiner selbst willen, Interesse abgewinnt. Solch echter diletto, warm und tief, doch darum nicht minder klar und gründlich, hat Theodor Fontane beseelt, als er sein Buch über den großen Krieg gegen Frankreich schrieb; und, daß ich es gleich zu Anfang sage, der Liebe zur Sache entsprechen(obgleich Fontane nicht Fachmann, d.h. in ­diesem Falle, nicht Kriegsmann ist) die Kenntniß und die Kunst. Der Verfas­ser hat nicht nur mit treuem Fleiße das reiche, schwer zu bewältigende Ma­terial ausgenutzt: er ist auch Augenzeuge jener großen Zeit und hat in Folge seiner abenteuerlichen Gefangenschaft die französischen Zustände aus nächster Nähe nur allzu genau kennen gelernt. Er hat ein Auge für das Cha­rakteristische einer Gegend wie Wenige, und diese glückliche Begabung, die seine berühmten»Wanderungen durch die Mark Brandenburg« zur Meisterschaft heranbildeten, kommt ihm zu Statten, ebensowohl für den künstlerischen Untergrund der Einzelschilderungen, wie für Kennzeich­nung des Schauplatzes militärischer Ereignisse. Fontane ist, wie gesagt, nicht Berufssoldat; doch er ist Soldat mit dem Herzen und mit dem Auge; er hat das volle Verständniß vom Wesen preußischen Kriegerthums; denn er hat es seit seiner Jugend geliebt und studirt; und vielleicht eben deshalb, daß ihm die Sprache der militärischen Technik nicht Fachmannsjargon ist, ver­steht er es, den wahren Inhalt der Kunstausdrücke vollgültig in einfacher und edler Sprache wiederzugeben. Seine strategischen Ueberblicke sind durchsichtig und klar, seine Gefechtsbilder einleuchtend und kräftig und dabei durchaus frei von jenem blechernen Geklapper, mit dem uns, Gott seis geklagt, die Kriegscorrespondenten so gern regaliren. Die Behandlungsweise ist übrigens nicht ganz gleichmäßig. Ich habe das Werk gelegentlich als»belletristisch« bezeichnen hören. Der Ausdruck ist überhaupt nicht zutreffend; ganz und gar unpassend erscheint er aber für den zweiten Theil, den»Krieg gegen die Republik«. Obgleich dieser Theil mehr als tausend Seiten umfaßt, hat die Massenhaftigkeit des Materials hier doch zu einer sehr sachlichen und compendiösen Form genöthigt, die von der des ersten Theiles(»Krieg gegen das Kaiserreich«, 854 Seiten) absticht. Man mag dies als einen Compositionsfehler tadeln; aber wenn es ein solcher ist, so liegt er doch in der Natur der Sache, ja in der Auffassung von Heer und Volk selbst begründet, und kein Werk über den Krieg, auch das des Ge­neralstabs nicht, wird sich diesem Einfluß entziehen können. Den Krieg gegen das Kaiserreich beschreibt Fontane in ähnlicher Art, wie er in seinen brandenburgischen Wanderungen unsere Mark schildert. Dies dürfte auf-