Heft 
(2021) 111
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164 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich Zur Erforschung von Fontanes Kriegsbüchern Ein Versuch Michael Ewert »Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben.« 1 Gustav Heinemann Nein, Fontanes Kriegsbücher, die schon vom Umfang her zu seinen Haupt­werken zählen, dürfen nicht länger beschwiegen werden. Sie verdienen eine gründliche wissenschaftliche Bearbeitung, jenseits von Hinweisen auf die »unparteiische Haltung« 2 ihres Autors und einer Verengung auf literarische Darstellungsprobleme. 3 Dabei sind auch gegenüber einem unbekümmerten Neopositivismus, der in Vorbehalten gegenüber den Kriegsbüchern eine »neue Form der Zensur« zu erkennen meint, 4 methodische Bedenken anzu­melden. Wünschenswert erscheint es vielmehr,»den großen Zusammen­hang der Dinge« 5 aufzuzeigen, ohne die Historizität der Phänomene zu miss­achten und unpassende moralische Maßstäbe anzulegen. Konkret könnte das bedeuten, interdisziplinäre Perspektiven einzunehmen, z.B. neben werk­ästhetischen und biografischen Lesarten militärtechnisch-industrielle, be­wusstseinsgeschichtliche, mediale, diskursive und situative Kontexte des Projekts, rhetorische Argumentationsmuster und Gestaltungsformen zu be­rücksichtigen, nach Möglichkeit mit dem Ziel, dem Sterben auf den Schlacht­feldern und dem Leid der Zivilbevölkerung den gebotenen Platz einzuräu­men. Die folgenden Überlegungen verstehen sich unter diesen Vorzeichen als Arbeitspapier, das nicht mehr als einen Diskussionsanstoß bieten möchte: 1) Fontanes Darstellung des deutsch-französischen Krieges 1870/71 leis­tet als literarisch-historische Mischform einen Beitrag zur preußisch-deut­schen Geschichtsschreibung. Fast zwingend drängt sich die Forderung auf, den Text mit literarischen Quellen aus Frankreich(Emile Zola, La Débâcle etc.) als auch mit einschlägigen zeitgenössischen und modernen Geschichts­werken französischer Provenienz zu kontrastieren.