Heft 
(2021) 111
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168 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich Kaum gelesen, ungeliebt: Fontanes Kriegsbücher Christine Hehle Die Zeitgenossen wussten Fontanes Kriegsbücher zu schätzen, wie die un­terschiedlich akzentuierenden, doch überwiegend positiven Besprechun­gen in verschiedenen Periodika zeigen, die spätere Forschung und Leser­schaft jedoch ist den voluminösen Bänden, an denen Fontane zwölf Jahre lang gearbeitet hat und die mehr Seiten umfassen als alle seine Romane und Novellen zusammen, mit großer Zurückhaltung begegnet. 1 Für Fontane selbst gehörte das eine wie das andere zu seinem Schreiben. Er scheint keine scharfe Trennlinie zwischen seinem literarischen Werk im engeren Sinne und den militärhistorischen Darstellungen der Einigungs­kriege gezogen zu haben. Im Brief an seine Frau vom 17.8.1882 nannte er Der Krieg gegen Frankreich im Jahre 1870–1871 in einem Atemzug mit seinem Debütroman Vor dem Sturm als einen entscheidenden Punkt in seiner Ent­wicklung als Autor:»Ich sehe klar ein, daß ich eigentlich erst bei dem 70er Kriegsbuche und dann bei dem Schreiben meines Romans ein Schriftsteller geworden bin d.h. ein Mann, der sein Metier als eine Kunst betreibt[], deren Anforderungen er kennt.« 2 Natürlich hatte er finanzielle Gründe da­für, Rudolf von Deckers Aufträge der Berichterstattung über die Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 zu akzeptieren, und versprach sich von ihnen über­dies einen Reputationsgewinn. 3 Aber das war sicher nicht alles: Ihn interes­sierte das Militärische, und zwar ebenso das Strategische wie das ›Heroi­sche‹ und ›Balladeske‹ daran. Das zeigen nicht nur Balladen(wie z.B. Männer und Helden. Acht Preußenlieder) und die Wanderungen durch die Mark Brandenburg, sondern auch die Reisetagebücher: Selbst auf Kultur- und Er­holungsreisen galt Fontanes Augenmerk häufig historischen Schlachtfel­dern und der Erinnerung an Kriege. 4 Auch auf der handwerklichen Ebene waren die Kriegsbücher gewiss eine stimulierende Herausforderung für ihn, denn an ihnen konnte er seine als Journalist und Reiseschriftsteller er­worbene Kompetenz der Recherche, seine souveräne Beherrschung dispara­ter Massen von Stoff, seine Kunst der Pointierung und ansprechenden Dar­stellung spröder Materie bewähren und weiterentwickeln.