Heft 
(2021) 111
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188 Fontane Blätter 111 Rezensionen eine»autobiographiefeindliche« Zeit fiel(Oesterle) und dass Fontane mit sei­ner anhaltenden Skepsis rang. Resultat war ein Konzept des Autobiographi­schen, das Fragmentarisierung statt Ganzheit bevorzugte, Memoiren, Brief, Chronik und Roman synthetisierte und Kleinteiligkeit präferierte(S.  21, 28 f., 32). Wolfgang Rasch vertieft in seinem Beitrag bestimmte Befunde sei­nes Editionskommentars und schildert sein diesbezügliches methodisches Vorgehen. Er konzentriert sich auf das Verhältnis von»Dichtung und Wahr­heit«:»Was wird verschwiegen, ausgeblendet, retouchiert, entstellt?«(S. 34). Erweitert und konkretisiert wird dabei insbesondere nochmals das Wissen über Eltester und Bossart(s.o.). Hubertus Fischer befragt quellenverglei­chend Fontanes Mystifikation der Dichtervereinigung Der Tunnel über die Spree und kommt zu dem Befund, dass»der ›Tunnel‹ nur durch Fontane der ›Tunnel‹ war«(S. 69). Carmen Aus der Au zeichnet nach, warum in dieser Autobiographie die Persönlichkeit Franz Kuglers»ein äußerst wohlgesinn­tes Bild« findet(S. 95), seine dichterische Arbeit aber vornehmlich kritisch gewürdigt wird. Peter Goldammers(bereits 1986 erstmals erschienener) Text widmet sich der Darstellung Theodor Storms, die, im Gegensatz zu frü­heren Arbeiten Fontanes über den Dichterkollegen, sehr kritisch gehalten war, was schon die Zeitgenossen beschäftigte. Fontane würdigte Storm stets als Dichter und Mensch, kam aber in seiner Autobiographie nicht um­hin, ihm nachträglich mehrfach seine ›Abneigung gegen alles Preußische‹, seine ›unerträgliche Anmaßung und Ueberheblichheit‹ und ›Selbstgerech­tigkeit‹ in dieser Frage vorzuwerfen, was auch seine ›schönsten politischen Gedichte‹ kennzeichne. Storm wird also auch dichterisch diskreditiert, zu­sätzlich noch mit dem Hinweis, im Tunnel nur wenig Erfolg errungen zu haben. Diese Eigenart, sich bei literarischen Urteilen über Zeitgenossen hin­ter Urteilen anderer»Tunnelianer« zu verstecken, macht auch Markus Bernauer in seinem Beitrag über die auffallend kurze Paul-Heyse-Skizze der Autobiographie zum Thema(S. 126). Bernauer zeichnet das wechselvolle Verhältnis beider Autoren zueinander nach, gleichfalls die wechselhaften Urteile übereinander. Sie waren nicht frei von Missverständnissen, Konkur­renz und Neid, und in Fontanes äußerst kurzer Schilderung erkenne man eine bewusste»Marginalisierung« des Kollegen(S. 125). Zwei weitere Beiträge analysieren spezifische Erzählverfahren Fontanes. Hartmut Hombrecher geht auf Basis der These, dass»Raum als Kernkatego­rie« des Texts zu gelten habe(S. 148), literarisierten Raumkonstellationen nach. Raum erscheint in diesem mitunter leicht theorielastig wirkenden Aufsatz als Signatur der jeweiligen Akteure. Raumordnungen sind Rang­ordnungen: und zwar im literarischen Feld. Das ist, Fontanes Matrix fol­gend, kein Fatum. Diese Ordnung kann verändert und hergestellt werden: »Fontane ist, so wird hier mittels der Erzählung von Raum skizziert,[] je­mand, der sich zum Zentrum bewegt und auf der Suche nach Stabilität ist« (S. 155). Das Verhältnis von erzählendem und erlebendem Ich untersucht der