Heft 
(2021) 111
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194 Fontane Blätter 111 Rezensionen kums treffen, bleibt auch jenseits der in Rede stehenden Nähe-Effekte da­hingestellt. Nicht nur die akribischen Vor-Ort-Recherchen führen zu neuen Er­kenntnissen in der»dramatischen Geschichte«(S. 8) von Fontanes Kriegs­gefangenschaft auch wenn aufgrund fehlender Überlieferung offenblei­ben muss, welche Anteile die Politiker Crémieux oder Bismarck an Fontanes Rettung genau leisteten. Die Autoren schließen zahlreiche Lücken, bringen neue Belege bei und korrigieren Datierungsfehler und Ortsangaben. Darü­ber geben sie Einblick in die literarische Konstruktion von Kriegsgefangen, etwa wenn sie zeigen, wie Fontane zugunsten einer Erzählzäsur zwei Er­eignisse unterschiedlichen Datums auf einen Tag fallen lässt. So legt er am 26. Oktober 1870 eine wohl schon zwei Tage ältere»böse Nachricht«(S. 82), die seine Gefangenschaft trotz des Freispruchs vom Spionageverdacht an­dauern lässt, mit einer»gute[n]« zusammen, die ihm mit dem Status als Hö­herer Offizier zugleich verbesserte Haftbedingungen zuerkennt. Damit profilieren auch Radecke und Rauh Kriegsgefangen als einen fiktionalisier­ten, die außerliterarische Wirklichkeit durch Abweichungen, Auslassun­gen und Stilisierungen bearbeitenden Text. Mit seinen Exkursen(»Über die Franzosen«, S. 20 f, 64 f), aber auch mit einem Epilog zur Entstehung und zeitgenössischen Wirkung von Kriegsge­fangen(S. 141–149) empfiehlt sich der Band auch durch seinen umfassenden Anhang(S. 153–186) gleich mehreren Zielgruppen und Verwendungszwe­cken. Personen-, Literatur- und Anmerkungsverzeichnis bieten sowohl wis­senschaftlichen Lesern als auch Fontane-Liebhabern bibliographische Nachweise, weiterführende Informationen und Literaturhinweise. Darüber hinaus machen Schaubilder und Übersichtskarten(S. 159 f) das Buch auch für literaturtouristische Zwecke handhabbar. Sie ordnen die Initiativen zu Fontanes Rettung, veranschaulichen die verschiedenen Stationen seiner Haft und machen die Wege des Schriftstellers durch Frankreich nachvoll­ziehbar. Zum Schluss wünscht man beiden Publikationen, der Leseausgabe des Aufbau-Verlags und der erzählenden Recherche von Gabriele Radecke und Robert Rauh aus dem be.bra-Verlag, jene Erweiterung der Leserschaft, auf die sie ausgerichtet sind. Zuletzt aber darüber hinaus begrüßte man eine Studienausgabe von Kriegsgefangen, die Fontanes Text und die aktuelle Forschung zu ihm vereint. An den besprochenen Bänden wird sie nicht vor­beigehen können. Maria Brosig