Heft 
(2021) 111
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McGillen: The Fontane Workshop  Hehle 201 quenzen, Figurenskizzen, Szenen-Dispositionen im non-linear editing der fortlaufende, diskursive Text eines Romans, einer Erzählung? Wie funktio­niert das Feuerwerk der Assoziationen, das zur Rekombination der einzel­nen Elemente in einer bestimmten Weise führt? Petra McGillen betont zu Recht, dass Fontanes ganzes Werkstatt-System darauf angelegt war, ein Maximum an Kreativität, und das heißt, ein Maximum an Assoziationen zu ermöglichen. Assoziatives literarisches Schreiben aber, so denke ich, be­inhaltet tatsächlich ein Moment, das sich der Kontrolle des Bewusstseins entzieht jenes Moment, das die Surrealisten mithilfe der écriture automa­tique anzusprechen suchten und das im Creative Writing unserer Zeit durch die Technik des freewriting provoziert werden soll. In Fontanes Brouillons, seinen first drafts, finden sich Seiten, die den Eindruck erwecken, in einem Flow geschrieben zu sein, in dahineilender Schrift, die den Flug der Gedan­ken und Assoziationen einzuholen versucht und sich kaum die Zeit nimmt, die Feder wieder neu einzutauchen. Nicht auf alle Brouillons Fontanes, so­weit sie überhaupt erhalten sind, trifft das zu, etwa nicht auf das umfangrei­che Arbeitsmanuskript von Vor dem Sturm, auf das Petra McGillen in ihrer Analyse vornehmlich eingeht, doch es gibt diese Seiten, zum Beispiel im Effi-Briest-Brouillon. Und ich frage mich, ob hierin nicht die Spuren des »Psychographen« zu sehen sind und damit ein weiteres Element in Fonta­nes kreativem Prozess, das noch genauer zu erforschen wäre. Conclusio Der Anschlussmöglichkeiten für künftige Forschung, mit denen uns The Fontane Workshop beschenkt, sind also viele. In diesem Rahmen ist es nicht möglich, allen inhaltlichen Aspekten, allen Einsichten und Querverbindun­gen gerecht zu werden, die diese aufschlussreiche und souverän argumen­tierende Studie bietet. Es gibt keinen losen Faden, alles ist überzeugend zu einem runden Ganzen verknüpft was die»Coda« mit einer innovativen Les­art von Mathilde Möhring als ironische Kontrafaktur zu Effi Briest und Refle­xion über den asthetischen Status der compilatio nochmals bestätigt. Der Leser bekommt eine Fülle an Detailinformationen, gründlichen Analysen und überraschenden Einsichten präsentiert, ohne dass die großen Linien jemals aus dem Blick geraten. Stets wird er klar darüber informiert, worauf die Argumentation sich stützt, welche Konzepte, Forschungsresultate und -positionen herangezogen werden, aber nie mit weitschweifigen theoreti­schen Erörterungen gelangweilt. Erfrischend und sehr erhellend ist die Anwendung zeitgenössischer Konzepte und Begriffe wie crowdsourcing, interface, sampling, remix auf Fontanes Arbeitstechnik neben der auch schon von anderen mit Gewinn für ihre Analyse herangezogenen klassischen Rhetorik. Nie zuvor wurde die