Heft 
(2021) 112
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12 Fontane Blätter 112 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes spricht, handelt, läßt sich anhand des brieflichen Zusammenhangs nicht ge­nau ermitteln. Es erscheint jedoch plausibel, daß Fontane sich hier auf be­reits in der Vergangenheit ausgeschlagene, aber nicht überlieferte Einla­dungen der Schauspielerin, möglicherweise zu Rezitationsabenden, bezieht. Ob Marie Seebach ihm die Absolution, um welche er bat, erteilte, muß offen bleiben; ein Antwortschreiben ihrerseits ist nicht überliefert. Den zweiten Brief richtete Fontane ein Jahr später, am 19. November 1889, an sie. Mitte November jenes Jahres konnte Theodor Fontane seinem Publikum die dritte Auflage seiner Gedichte vorlegen. Fontane selbst freute sich darüber, zu seinem 70. Geburtstag, den er einen Monat später begehen sollte, eine neue und erweiterte Auflage vorlegen zu können. 9 Dennoch no­tierte er in seinem Tagebuch, er habe,»beim Erscheinen der neuen(3.) Auf­lage meiner Gedichte viel Schreiberei« 10 , da er mehrere Exemplare an Freun­de und Bekannte senden wolle. Zu diesem Zwecke erbat sich Fontane am 15. November von seinem Verleger Wilhelm Hertz 20 gebundene Exemplare der Gedichte. Am gleichen Tag entwarf er bereits eine Liste mit Namen von Personen, denen er eines der Exemplare persönlich zu senden gedachte. 11 Für den 19. November sind dann, neben dem an Marie Seebach, vier weite­re Briefe überliefert, denen Fontane die Neuauflage der Gedichte beilegte. Bei den Empfängern handelte es sich um Otto Arendt, Fritz Mauthner, Juli­us Rodenberg und Siegfried Samosch. Sie alle waren Publizisten und konn­ten seine Neuauflage somit rezensieren, worum er Mauthner auch explizit bat. 12 Marie Seebach hingegen war keine Publizistin, dennoch erschien sie ­Fontane wichtig genug, um ihr ein Exemplar zuzusenden. Er begründete dies mit der»dankbare[n] Erinnerung« an das, was»Ihre Kunst und Ihre Güte für das ein oder andre meiner Gedichte bereits gethan« hätten. Auf welche Gedichte er sich hier konkret bezieht, darüber kann nur spekuliert werden. Das dem Brief beiliegende Buch hat sich leider nicht erhalten. Der letzte der drei Briefe wurde vier Jahre später geschrieben und be­zieht sich auf den einzigen Sohn Marie Seebachs, Oscar Niemann. In Lon­don, wo er als Maler lebte, erkrankte er an einer Lungenentzündung. Diese weitete sich zu einer lebensbedrohlichen Schwindsucht aus. Nach erfolglo­sen Aufenthalten in verschiedenen Heilstätten in Deutschland ging Oscar auf Anraten seiner Ärzte nach Italien. Er reiste dazu nach Nervi bei Mailand. Dort starb er am 17. April 1893 mit nur 32 Jahren. Marie Seebach erfuhr von seinem Tod in Berlin und holte seine Urne persönlich aus Italien ab. Auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof ließ sie ihren Sohn schließlich beisetzen und stiftete ihm ein prächtiges Grabmal. Nur vier Jahre später fand Marie See­bach in demselben Grabe ihre letzte Ruhe. 13 Das Grab samt Grabmal hat sich bis heute erhalten und kann noch immer besucht werden. Zwölf Tage nach Oscar Niemanns Tod wandte sich Fontane in seinem und seiner Gattin Namen in einem Kondolenz-Brief an die trauernde Mutter. Wann die Fontanes von Oscars Tod erfahren haben, ist unklar. Fontane