Heft 
(2021) 112
Einzelbild herunterladen

24 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung seit dem 17. Jahrhundert, wurden dort Schlachtbeschreibungen aus der Fe­der von Offizieren veröffentlicht. Die Zeitungshäuser versprachen sich Pro­fit von solchen Nachrichten, die nicht nur die allgemeine Neugierde im Hin­blick auf dramatische Ereignisse befriedigten, sondern auch kaufmännische Interessen bedienten: Möglichst zügig vom Ausgang von Schlachten zu er­fahren hieß, schneller als die Konkurrenz auf jene Marktentwicklungen re­agieren zu können, die aus den militärisch-politischen Machtverschiebun­gen resultierten. Häufig wurden auch Kommuniqués abgedruckt, die von Staatsoberhäuptern stammten, die gleichzeitig als Feldherren auftraten; die Einlassungen Friedrichs des Großen in den Berliner Zeitungen oder Napoleon Bonapartes im Moniteur können hier als besonders illustre Bei­spiele dienen. Davon, irgendeine Eigeninitiative bei der Informationsbe­schaffung zu entfalten, war die Presse noch weit entfernt. 7 Es dauerte bis zum Krimkrieg, bis sich das Zeitungswesen in Europa so entwickelt hatte, dass Redaktionen den Anspruch erhoben, ihre Leserschaft auch über Kriege auf der Basis selbständiger Recherchen in Kenntnis zu setzen. Die großen Zeitungen und Zeitschriften der kriegführenden Länder entsandten Reporter und Grafiker auf die Kriegsschauplätze am Schwarzen Meer, um regelmäßig ihre Spalten mit den neuesten Nachrichten und An­sichten vom militärischen Geschehen zu füllen. 8 Blätter aus nicht am Krieg beteiligten Ländern freilich verzichteten noch auf die kostspielige Ausrüs­tung von eigenen Berichterstattern und ließen sich stattdessen von ihren Korrespondenten aus den Hauptstädten der kämpfenden Staaten informie­ren, die die dort erscheinenden Presseerzeugnisse auswerteten so wie z. B. Fontane in London. 9 Dass die Kriegsberichterstatter vom Militär formal unabhängig waren sie wurden von ihren Zeitungshäusern besoldet und traten auf dem Kriegsschauplatz in Zivil auf, garantierte freilich keineswegs die vollstän­dige Freiheit ihres Urteils. Schon die Tatsache, dass sie als Vertreter der Presse eines der kriegführenden Länder auftraten, erzeugte einen hohen Erwartungsdruck im Hinblick auf eine entsprechende Parteinahme; schon bei der Auswahl der Berichterstatter wurde darauf geachtet, nur zuverlässi­ge, patriotisch gesinnte Männer zu berücksichtigen. Einmal auf dem Kriegs­schauplatz angekommen, waren die Journalisten so stark vom Wohlwollen der Militärs abhängig, dass sie es kaum wagen konnten, sich durch kritische Berichte unbeliebt zu machen. Wer trotzdem etwas schrieb, was der Truppe missfiel, musste damit rechnen, nur noch schlechte Quartiere angewiesen zu bekommen, bei der Essensversorgung übergangen zu werden und viel­leicht am wichtigsten keine Interviews mit den Offizieren mehr führen zu können, also vom Nachrichtenfluss abgeschnitten zu werden. Dass der bekannteste Kriegsberichterstatter des 19. Jahrhunderts, ­William Howard Russell von der Londoner Times, dennoch scharfe Kritik an der schlechten Versorgung der britischen Streitkräfte im Winter 1854/55