Heft 
(2021) 112
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26 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung beobachteten Kriege komplette Feldzugsdarstellungen, für die sie die zuvor von ihnen verfassten Artikel nur noch zusammenzuführen und mit Über­gängen zu versehen hatten. Solche retrospektiv veröffentlichten Kriegsbü­cher aber gerieten in die Nähe von historischen Darstellungen, die sich an den Standards der seit einigen Jahren mit wissenschaftlichem Anspruch auftretenden Geschichtswissenschaft messen lassen mussten. In der deut­schen Historiografie der 1860er- und 1870er-Jahre freilich kamen die Quel­lentreue des Historismus und die Faktentreue jenes Positivismus zusammen, der das wissenschaftliche Leben des 19. Jahrhunderts insgesamt entschei­dend prägte. Unter solchen Voraussetzungen trat in der Ära der Deutschen Eini­gungskriege auch Fontane als Autor von Kriegsbüchern an. Im Unterschied zu anderen Autoren ging seiner Arbeit nicht die Tätigkeit des Reporters vor­aus; Fontane wurde vom Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofdru­ckerei Rudolf von Decker unter Vertrag genommen, um von vornherein auf die Veröffentlichung von Gesamtdarstellungen der mit Beteiligung Preu­ßens geführten Kriege hinzuarbeiten. 13 Trotzdem galt für ihn die Norm, die jeder Kriegsschilderung zugrunde lag: exakte Sachkenntnis, die auf Augen­zeugenschaft beruhte, welche durch zumindest nachträgliche Bereisung der Gefechtsräume erworben war. Da Fontane spätestens seit den Wande­rungen durch die Mark Brandenburg als Reiseschriftsteller von Rang ausge­wiesen war, durfte man ihm zutrauen, dass er in dieser Weise zu beobachten und zu recherchieren verstand. 3. Fontanes Kriegsbücher und ihr publizistisches Umfeld Fontanes Kriegsbücher trafen auf einen Markt, der seit dem Dänischen Krieg von 1864 schnell wuchs, also durchaus Potenzial besaß, aber gleich­zeitig hart umkämpft war. Nach wie vor veröffentlichten auch die Militärs Gesamtdarstellungen der von ihnen ausgefochtenen Kriege. Die sogenann­ten Generalstabswerke, die offiziösen, vollständig auf die Operationsge­schichte verengten Berichte, richteten sich vor allem an Spezialisten, aber es entstanden auch Monografien aus den Federn hochrangiger Offiziere, die durchaus das allgemeine Lesepublikum ansprachen. Daneben ergoss sich eine wahre Flut von populären Darstellungen und von Erinnerungsli­teratur über den Buchmarkt. Der Ausstoß des Militärs wurde hierbei von den bürgerlichen Autoren weit übertroffen, die entweder als vormalige Kriegsteilnehmer ihren Beitrag zur Verwirklichung des deutschen Natio­nalstaats herausstreichen wollten, oder als Außenbeobachter einen Beitrag zur Bewahrung der Erinnerung an das nationale Großereignis und damit zur nationalen Erziehung leisten wollten. In erstere Kategorie fielen zahlrei­che Kriegsfreiwillige, die von der Schulbank weg oder aus dem Hörsaal