Heft 
(2021) 112
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Fontane im Felde  Becker 27 heraus zur Fahne gegangen waren und später ihre Bildung und Schreib­kompetenz nutzten, um mit Kriegsbriefen,-tagebüchern oder-memoiren an die Öffentlichkeit zu gehen; in der letzteren spielten Geschichtsprofessoren und Gymnasiallehrer eine große Rolle, die in der Würdigung der siegei­chen Kriege offenbar eine ebenso patriotische wie pädagogische Pflicht er­blickten. 14 Dieses publizistische Umfeld muss man kennen, um auch die Anlage und den Aufbau der Kriegsbücher Fontanes zu verstehen, insbesondere der Darstellung des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71. Zuge­spitzt lässt sich sagen, dass Fontane seinem Publikum einen Querschnitt all dessen bot, was sonst an Literatur zu diesem Feldzug auf dem Markt war. 15 Fontane arbeitete so, wie die Forschung es auch für andere Bereiche seiner Textproduktion nachgewiesen hat: mit Schere und Leimtopf. Aus anderen Publikationen, von Zeitungen über Militaria bis zu allen Formen der Erinnerungsliteratur, schnitt er teils mehrseitige Abschnitte aus, um sie in sein eigenes Manuskript einzufügen, das damit den Charakter eines abwechslungsreichen, polyphonen, auf Quellen gestützten Werkes an­nahm. Die Collage diente folglich nicht nur der Arbeitsersparnis, sondern auch der Verbesserung der Qualität, wenn man die Offenlegung von Quel­len und die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven, mitunter auch der Perspektive des Kriegsgegners, mit einem Qualitätsgewinn gleichsetzt. Und auch den visuellen Medien zollte Fontane seinen Tribut: Zwar fehlten im 1870/71-Buch jene Illustrationen Burgers, mit denen die Werke zu den Kriegen von 1864 und 1866 so reich geschmückt waren, aber dafür gab es z. B. eine Vielzahl von schematisierten Karten zu sehen, die die Gegebenheiten des Terrains und die Truppenaufstellungen bei Gefechten verdeutlichten. 16 Auch wenn man Fontane durchaus eine farbige und anschauliche Dar­stellungsweise attestieren kann die Frage der Lesbarkeit bleibt im Raum stehen, denn sie knüpft sich vor allem an den Umfang des Werkes, der bei fast 1.900 Seiten liegt. Auch die im Vergleich zur Gegenwart geduldigeren, von weniger konkurrierenden Medien in Anspruch genommenen Leser und Leserinnen des Kaiserreichs werden sich gewiss nur in seltenen Fällen durch beide Bände vollumfänglich hindurchgearbeitet haben. Eher ist zu vermuten, dass das Buch, pointiert gesagt, wie ein papierenes Denkmal behandelt wurde man wollte es auf dem Regal stehen haben, um damit die Erinnerung an den Krieg, und zwar bis in alle Details, zu fixieren und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Tauchten Fragen zu einzel­nen Kriegsereignissen auf, konnte man es wie ein Nachschlagewerk kon­sultieren. Im Vergleich zu der zweibändigen Gesamtdarstellung handelte es sich bei den beiden anderen Büchern Fontanes zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, Kriegsgefangen und Aus den Tagen der Occupation, um