Heft 
(2021) 112
Einzelbild herunterladen

28 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung eher schmale Bände. Und auch inhaltlich ist der Graben zum großen histo­rischen Sachbuch über den kompletten Kriegsverlauf denkbar tief: Kriegs­gefangen und Aus den Tagen der Occupation sind in erster Linie Reisebe­richte, 17 in denen Fontane einen Ich-Erzähler nach allen Regeln der Kunst bzw. des Genres die Berichte von Kriegsereignissen locker mit solchen von Land und Leuten, ja sogar mit Persönlichem und Anekdotischem verknüpfen lässt. 4. Der kurze Weg von der Beobachtung zur Spionage Stellt man auch das Thema von Kriegsgefangen in den zeitgenössischen Kontext, so erweist sich, dass Fontanes Erlebnis in Frankreich gar nicht so ungewöhnlich war. Männer, die, ohne den Streitkräften anzugehören, auf die Kriegsschauplätze reisten, um dort Beobachtungen anzustellen, liefen immer Gefahr, als Spione verdächtigt zu werden. Schon Russell wusste um dieses Problem, als er sich 1854 auf die Krim begab. Er versuchte es zu lö­sen, indem er sich eine Fantasieuniform zulegte. Sie sollte anzeigen, dass er einen besonderen Status genoss weder Kombattant, den der Feind ohne Zaudern unter Feuer nahm, noch Zivilist, der in den Gefechtsräumen nichts verloren hatte und dort eigentlich nur unlautere Absichten verfolgen konn­te. 18 Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zog Russell von Berlin aus mit einem Gepäckwagen ins Feld, auf den er das ausgesprochen unmi­litärisch wirkende Bild einer Ziege hatte malen lassen angeblich, weil die Ziege im Familienwappen der Russells stand, tatsächlich aber wohl eher, um wiederum zu signalisieren, dass er eine Sonderstellung genoss und in keine der üblichen Schubladen gehörte. 19 Was seit einigen Jahren das Rote Kreuz praktizierte Personen und Gerätschaften durch ein allgemein be­kanntes Symbol zu»neutralisieren«, war bei den Vertretern der schrei­benden Zunft noch nicht üblich geworden. Es sollte noch bis zum Ersten Weltkrieg dauern, bis Armbinden mit dem Buchstaben»P« wie»Presse« und ein Akkreditierungsausweis für mehr Sicherheit sorgten. 20 Wenn Fontane mithin als Deutscher in Zivil während des Krieges durch Frankreich reiste und in der Öffentlichkeit ein Notizbuch füllte, musste er eigentlich damit rechnen, in Verdacht zu geraten. Nicht von ungefähr schlos­sen sich die zivilen Beobachter des Kriegsgeschehens gern zu Gruppen zu­sammen, um die Gefahr gegebenenfalls durch wechselseitige Bezeugung der friedlichen Absichten verringern zu können wie Fontane selbst es im 1864-Buch anhand des Lagers in Broacker beschrieben hatte und auch in seinem 1870/71-Werk einige Zeit später wieder tun sollte, in dem er einen Abschnitt den Berichterstattern widmete, die sich gemeinsam in Versailles aufhielten, und von den Unternehmungen Russells an der Seite von Keith Frazer berichtete. 21 Was Fontane theoretisch offenbar klar war, ließ er in der