32 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung sie aber nicht in ungeregelten Aktionen verpuffen, sondern leite sie in das Bett perfekter Organisation von oben. 29 7. Fontanes Position: auch hier –» zwischen den Linien« Fontanes große Darstellung des Deutsch-Französischen Krieges, um zu seinem zweibändigen Monumentalwerk zurückzukehren, ist mithin, wie im Grunde jede Schilderung dieses Konflikts, auch als explizite oder implizite Positionierung in dieser Debatte zu lesen. Auf den ersten Blick scheint die Haltung des Autors klar zu sein: Wieder schreibt er für den konservativen Verlag Decker, wieder würdigt er die regierenden Häuser, wieder liefert er all die minutiösen Beschreibungen kriegerischer Taten ab, die insbesondere die beteiligten Offiziere lesen wollten, aber auch das Publikum zu Hause. Dass er auch die Mannschaften würdigte und das enge Band zwischen Kriegsschauplatz und Heimat betonte, indem er etwa eine stark stilisierte Darstellung der Kriegsweihnacht 1870 lieferte, 30 entsprach der Logik des soeben beschriebenen Kompromisses, der militärische Führung und durch die Wehrpflicht eingebundene Nation an einem Strang ziehen sah. Aufmerken aber lassen die Kommentare, die Fontane zu den Anstrengungen des Kriegsgegners abgab, nach dem Sturz des Kaisers einen Volkskrieg zu initiieren. In den Augen der Konservativen in Deutschland handelte es sich hierbei um einen ›republikanischen Schwindel‹, der stets an der Grenze zum Verbrechen angesiedelt war, weil er den Unterschied zwischen Militärpersonen und Zivilisten verwischte. Das bürgerliche Lager östlich des Rheins urteilte nicht ganz so scharf, betonte aber den Anachronismus des Versuchs einer Wiederholung von 1793, der aufgrund veränderter Bedingungen der Kriegführung von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. 31 Fontanes Sicht war differenzierter, wie sich an seinen Ausführungen zu zwei Galionsfiguren des Volkskrieges in Frankreich demonstrieren lässt: zum einen an Léon Gambetta, zum anderen an Guiseppe Garibaldi. Gambetta, ein Südfranzose mit italienischen Wurzeln, der in Paris zunächst eine Anwalts-, dann auch eine politische Karriere betrieben hatte, wurde am 4. September 1870 in die neue republikanische Regierung berufen. Seine Aufgabe bestand darin, die Weichen für die Fortsetzung des Krieges zu stellen. Dafür betrieb er Massenaushebungen im noch nicht besetzten Teil Frankreichs und ordnete Partisanenaktionen hinter den deutschen Linien an. Fontane erklärte ihn zur»Seele« 32 des französischen Widerstandes; er sei die»einzig große Potenz« gewesen,»die das unterliegende Frankreich uns entgegenzusetzen im Stande war« 33 ; seine Armeen kämpften mit»Geschick und Muth« 34 ; er unternahm»heroische Anstrengungen« 35 und war ein»Patriot«, dem zum Ruhm nur»der Erfolg« 36 fehlte. Später im Buch
Heft
(2021) 112
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten