Die Gartenlaube im Krieg Stockinger 37 »[F]ür ›geschlossene Bilder und Schilderungen‹ hat man in dem sehr wilden Feldleben selten Muße« 1 . Die Gartenlaube im Krieg Claudia Stockinger Am Dienstag, den 19. Juli 1870, in der 29. Kalenderwoche des Jahres also, begann der Deutsch-Französische Krieg. Die Gartenlaube aber plauderte sich noch zwei Wochen lang durch allerlei Buntes. Levin Schückings Backfischroman Die Thurmschwalbe ging in die dritte und vierte Folge, Hermann von Schmids Dorfgeschichte Der Bergwirth. Geschichte aus den bairischen Bergen näherte sich mit der siebten und achten Folge allmählich ihrem Ende, und Otto Funke informierte in einer zweiteiligen Miniserie über Die Diätetik der Vegetarianer. In der Reihe Wild-, Wald- und Waidmannsbilder zeichnete Guido Hammer in Text und Bild die anthropomorphe Idylle einer Rehmutter mit ihren Zwillings-Kitzen( Ein Waldkleeblättchen), und Wolfgang Müller widmete sich in einer weiteren Bildbeschreibung einfühlsam den»letzten Tage[n] eines Verurtheilten«. Etwas spannender, aber doch anekdotisch-entspannt berichtete man Aus dem Seetagebuche des österreichischen Seeofficiers F. in Foggia von einer glücklich überstandenen Gefährdung auf hoher See. Harmlosigkeiten allerorten, keine Spur vom Krieg. 2 Die Gründe dafür liegen auf der Hand, oder besser: in den Herstellungsbedingungen des Familienblatts, das in zeitlicher Hinsicht über nur geringe Handlungsspielräume verfügte. Zwar beanspruchte das zeitgenössische Gattungsverständnis auch für die Zeitschriften des 19. Jahrhunderts,»Gegenstände« in den Blick zu nehmen,»die gerade für den Augenblick Interesse haben«(so etwa die Oekonomische Encyklopädie von Johann Georg Krünitz 1857) 3 ; de facto aber blieb dies allein der Zeitung unter den Periodika vorbehalten. Das Familienblatt reagierte auf die Not einer über weite Strecken wöchentlichen Erscheinungsweise, indem es sein spezifisches Programm den zeitlich determinierten Verfahrensabläufen anpasste: Auf ›Zeitmitschriften‹ zielte Die Gartenlaube demnach dezidiert nicht ab. Vielmehr ging es ihr ganz selbstbewusst um eine lediglich relative Aktualität, also darum, Zeitgeschehnisse aus einer gewissen Distanz heraus einzuordnen, zu kommentieren und zu beurteilen. 4 Zumindest auf dem Papier konnte
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(2021) 112
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