Heft 
(2021) 112
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Die Gartenlaube im Krieg  Stockinger 39 zwar nicht neu, es ließ sich nun aber weder ignorieren noch weiter(z. B. programmatisch) beschönigen, sondern wurde bei Kriegsbeginn 1870 ­of­fen­sichtlich. Allerdings hatte das Wochenblatt seit seiner Gründung im Jahr 1853 mit solchen Irritationen des Betriebsablaufs schon einige Erfah­rungen gesammelt. So führten»drängende Beiträge« gelegentlich dazu, die hauseigenen Grundsätze hintanzustellen und den Serienroman zu unter­brechen: Im Fall des Attentats auf den amerikanischen Präsidenten Abra­ham Lincoln am 14. April 1865 mussten die Leser*innen auf Hermann von Schmids Der bayerische Hiesel kurzzeitig verzichten. 9 Auch auf den plötzli­chen Tod ihres Gründers und Herausgebers Ernst Keil reagierte die Garten­lauben- Redaktion vergleichsweise prompt: mit einer redaktionellen Notiz zu Beginn von Heft Nr. 1878/14 und einem Kurzartikel über Ernst Keils Begräb­niß in der flexibleren Rubrik Blätter und Blüthen. 10 Das dabei angekündigte, ausführliche»Lebensbild« 11 aber erschien erst 21 Wochen später. 12 Dass sich Entstehungs- und Publikationszeiträume im Fall der Garten­laube in der Regel deutlich voneinander unterschieden, gehört zu den Logi­ken des Zeitschriftenhandelns, und die Gartenlaube versuchte diese auch gar nicht zu verschleiern, sondern leitete daraus die ihr eigene Qualität ab. Gerade in besagten ›drängenden Fällen‹ zeigte man sich dennoch ver­gleichsweise beweglich. Zu den wenigen Instrumentarien, um sich über­haupt zu aktuellen Ereignissen zu verhalten und mit dem Publikum darüber in Dialog zu bleiben, gehörten z. B. Gedichte, also kürzere Texte, die sich problemloser einfügen ließen, oder peritextuelle Marker wie redaktionelle Fußnoten, Editorials zu Beginn oder die finale Rubrik Blätter und Blüthen. Darüber hinaus nutzte das Familienblatt das Mittel der Ausgründung, um dem strukturellen wie programmatischen Defizit an Tagesaktualität zu be­gegnen: Die Deutschen Blaetter(1862–1876) sollten die relative Langsamkeit der Zeitschrift wenigstens ansatzweise ausgleichen und»auf aktuelle Zeit­ereignisse« 13 ein wenig angemessener reagieren. So auch in der ersten Beilage nach Kriegsbeginn. Sie wies unter der exklamatorischen Überschrift Für unsere Ehre und unser Leben! auf den Zeitenwechsel hin, den Leser*innen wie Redaktion seit der letzten Ausgabe des Blatts, eine Woche zuvor, als Bruch der eigenen Erlebenswelt bis ins Alltägliche hinein erfahren hatten: Seitdem wir unsere letzte Nummer geschlossen es war noch eine fast idyllische den behaglichen Interessen und Kämpfen des Friedens gewid­mete Nummer hat sich plötzlich, in der Zeit von wenigen Tagen, vor unseren Augen die längst wie ein drohender und lähmender Alp auf un­serer Seele lastende Möglichkeit eines Krieges verwirklicht, der in dieser Stunde für uns schon ein Krieg inbrünstig heiligen Zornes geworden []. 14 Die sonstigen Artikel dieser Beilage berichteten dennoch über alles Mög­liche, v. a. verfolgte das Blatt antiultramontane Interessen( Noch einmal die