Heft 
(2021) 112
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Die Gartenlaube im Krieg  Stockinger 45 deshalb mit einem typographischen Paukenschlag. Eine Leser*innen-Ad­resse ganz oben auf der ersten Seite lenkte die Aufmerksamkeit auf einen neuen Publikations- und Selbstdarstellungsabschnitt in der Geschichte des Organs:»Erst in dieser Nummer ist es uns vergönnt, mit directen Mitthei­lungen unserer Kriegsberichterstatter zu beginnen«. 46 Einhergehend damit werden ein technisch beschleunigter Ausstoß und die Vermehrung der Auflage angekündigt:»jede Nummer« werde»drei Mal gesetzt«. 47 Offen­sichtlich reagierte man so auf eine erhöhte Nachfrage, 48 die allerdings auch nicht dazu beitrug, Produktionsroutinen zu flexibilisieren und Distributi­onswege zu verkürzen. Aus der ihr nicht unbekannten Not machte die Re­daktion auch an dieser Stelle eine(inzwischen bewährte) Tugend: Die»gute Auswahl« musste dafür herhalten, das Defizit in Sachen Aktualität auszu­gleichen, außerdem die»künstlerische Ausstattung unserer Artikel«. 49 Ein Organ wie die Gartenlaube schrieb dem eigenen Verständnis zufolge eben nicht für die Zeit, sondern für die Ewigkeit. Sie arbeitete aufs Archiv hin oder genauer darauf,»auch für die Zeit nach dem Kriege und für die künf­tige Generation und die Geschichtschreibung[!] nur Wahres und Werth­volles in unserem Blatte nieder[zu]legen«, 50 wie es in der Leser*innen-Ad­resse zum Kriegsbeginn in der Gartenlaube heißt. Die Redaktion knüpfte damit an einen oben bereits angedeuteten Gedanken aus der vorherigen Nummer an. Dessen Wiederholung mochte dadurch als gerechtfertigt er­scheinen, dass er in Heft 33 lediglich in einer Herausgeberfußnote Platz fand, also Gefahr lief, überlesen zu werden. 51 Erst jetzt also, genauer ab dem 22. August 1870, befand sich damit auch Die Gartenlaube tatsächlich ›im Krieg‹. Und dennoch blieb man bei allen An­strengungen immer noch sehr weit hinter den Zeitungen zurück und konnte auch die übrigen Wochenblätter nicht erreichen:»mindestens drei Wochen hinter den Tagesblättern und acht Tage hinter allen übrigen Wochenschrif­ten«, wie es heißt. 52 Das lag nicht zuletzt daran, dass man die Heftumfänge nicht erweiterte sicherlich um für(v. a. ökonomische) Stabilität in chaoti­schen Zeiten zu sorgen. 53 Selbst bereits vorliegende, aktuelle Beiträge»aus den Tagen des Kampfes« mussten so schon einmal ins Folgeheft verschoben werden. 54 War eine Meldung zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits über­holt, wurde dies in redaktionellen Fußnoten wenigstens vermerkt wie bei der für die Zeitgenossen spektakulären Gefangennahme Napoleons und Ka­pitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht von Sedan:»Auch das[der Sieg bei Sedan, C.S.] hat sich bereits erfüllt, und in so ungeheurer, so überwältigend großartiger Weise, daß das nun wahr­lich sieggewohnte deutsche Volk dennoch wie vor einem Wunder vor der neuen Zeitung steht«. 55 Der»Wochen-Rapport«, den diese redaktionelle An­merkung aktualisierte, war zu diesem Zeitpunkt erst bis Ende August vorge­stoßen; die Leser*innen der Gartenlaube bekamen ihn Mitte September zu Gesicht. Das»Wunder«»der neuen Zeitung« hatte sich bis dahin sicher doch