46 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung schon ein wenig verbraucht – ohne die Bedeutung der Schlacht in Abrede stellen zu wollen, die es im Deutschen Kaiserreich ja bis zum Feiertag gebracht hatte. Als Informationsmedium über das Ereignis benötigte die lesende Öffentlichkeit Die Gartenlaube jedenfalls nicht. Auf den Punkt gebracht: Die Gartenlaube setzte auch im Krieg auf Symptomatisches. Guter Journalismus hieß demnach nicht nur, besondere Sorgfalt walten zu lassen in Themenauswahl,-behandlung und Illustration. Er interessierte sich darüber hinaus für Nachrichten von besonderem historischem Gewicht, die er dadurch zugleich allererst erzeugte. Nicht der Grundsatz»News is, what new is« gehörte zu den Leitidealen des Blatts. Als berichtenswert galt vielmehr das Verallgemeinerbare, die Nachricht mit Ewigkeitswert, gemessen am Maßstab jenes Nationenbildungsprozesses, als dessen Teilhaber*innen und Zeug*innen sich die Redaktion des Blatts ebenso wie dessen Leser*innen verstanden oder wenigstens verstehen sollten. Noch ›im Krieg‹ hatte das Familienblatt immer schon die Zeit ›nach dem Krieg‹ fest im Blick. In der Absage ans kurzlebige Tagesgeschäft selbst in drängenden Zeiten blieb die Gartenlaube ihrem Projekt treu, mehr zu sein und zu werden als nur eine Zeitschrift. Sie zielte aufs Buch, 56 und der Erfolg schien ihr(wie auch sonst in den ersten Jahrzehnten ihres Erscheinens) 1870/71 erneut beizupflichten. Der zitierten redaktionellen Notiz zufolge war der Zulauf enorm. Im Anschluss an diese Notiz stand Heft 34 dann erstmals ganz im Zeichen von Krieg und Kampf. Dass z. B. eine zwei Briefe umfassende Miniserie in derselben Nummer erschien und nicht auf zwei Nummern aufgeteilt wurde, gehörte zu den kriegsbedingten Neuerungen in der Darstellungslogik und Veröffentlichungspolitik des Blatts: Im Lager unserer Heere. 57 Die erste Folge der Serie Aus den Tagen des Kampfes lieferte statt eines ›Mittendrin‹ eine historiographische Rückschau auf die Ereignisse, eine Chronik vom 19. Juli bis zum 8. August: 58 »Aus Mainz« erreichten die Gartenlaube »Festungsbriefe«; 59 der Komponist des Liedes Die Wacht am Rhein wurde (aus gegebenem Anlass) porträtiert 60 und die ›Heldentat‹»von Ulanen des siebenten Regiments« in Bild und Ekphrasis veranschaulicht. 61 Ein»Oberlehrer an der Annen-Realschule zu Dresden« veröffentlichte ein ungedrucktes Gedicht Theodor Körners aus der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon, 62 und Spendenquittungen»für die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute« beschließen das Blatt. 63 Wäre da nicht die achte Folge von Levin Schückings Vorkriegsroman Die Thurmschwalbe, 64 gäbe es zumindest in dieser Nummer für Die Gartenlaube kein anderes Thema mehr als den Deutsch-Französischen Krieg. Wie sieht die Gartenlauben- Kriegsberichterstattung im Einzelnen aus? Dafür lohnt ein genauerer Blick in A. von Corvins»Brief«-Serie Im Lager unserer Heere, die über weite Strecken wie ein merkwürdiges Nebeneinander aus vergnüglichem Reisebericht und Schlachtdarstellung anmutet.
Heft
(2021) 112
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