Heft 
(2021) 112
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48 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung »man kann annehmen« weisen darauf hin. 72 Erst nach einer allgemeinen Darstellung kehrt Corvin»nun zu dem zurück, was ich persönlich sah«. 73 Die Darstellung wirkt dabei wenigstens zu Teilen wie eine nachträgliche, auch touristische Besichtigung eines Kampfplatzes. Man war ganz nah dran, kam aber immer schon zu spät: Im Walde lagen Preußen und Franzosen todt[]. Ich nahm mir ein Stück Granate, welche einen französischen Sergeanten erschlagen hatte, zum Andenken mit, und ein ihm zugehöriges Notizblatt.[] Das Schlachtfeld auf der Hochebene zwischen Wald und Chaussee sah wie ein Trödel­markt aus. Wer das nicht gesehen hat, hat keinen Begriff davon. Die Tod­ten lagen dort ziemlich dicht, sowohl Preußen wie Franzosen[]. 74 Dass man über den Bericht einen»Begriff davon« bekommen könnte, wie es im Text heißt, setzt der Verfasser offensichtlich nicht voraus. Es wirkt so, als sehe er sich selbst zu einer plastischen, realitätsnahen Darstellung nur an­satzweise in der Lage, die Augenzeugenschaft scheint durch nichts ersetzt werden zu können:»Ich wollte, Sie könnten das sehen!« 75 Die Gründe für diese auffällige Sprechhaltung werden erst später aufgedeckt, in den ersten Folgen des Berichts hält sich der Erzähler mit Hinweisen auf die Erwartun­gen und Anweisungen der Gartenlauben-Redaktion noch zurück. Stattdes­sen bietet er eine Schilderung der Gänge, die er unternimmt, und zeigt sich vom eigentlich Gesehenen und den Eindrücken, die die Wucht der Bilder hinterlassen mag, merkwürdig unbeeindruckt. Er und seine Begleiter»hiel­ten« sich, wie er sagt,»bei den Todten nicht zu lange auf«; oder er vergleicht das»Schlachtfeld«, wie bereits zitiert, mit einem»Trödelmarkt«. 76 Kriegs­beute wird, wie er beobachtet,»in sehr guter Laune« ›eingeheimst‹. 77 Zugleich zeigt der Artikel sehr genau die Grenzen der Möglichkeiten einer idealerweise objektiven Berichterstattung auf. Das eigene Metier er­wies sich als das größte Handicap des Journalisten:»Ich muß gestehen, daß das Schreiben viel am Sehen hindert. Die Preußen laufen so schnell, daß man sie ohne Pferd gar nicht einholt, und Pferd und Wagen sind nicht zu haben«. 78 Auch vor Ort blieb die Aktualität dessen, was man zeigen kann, relativ, und der Berichtende jagte dem Geschehen immer nur hinterher. Aufschreiben und Erleben gingen nicht zusammen, weil noch jede techni­sche Ausstattung(die heute gängig ist) dazu fehlte. Unmittelbarkeit und Zeitdeckung im Erzählen ließ sich so entweder gar nicht, nur mühsam oder höchstens fingiert herstellen. Auf Fiktionen aber verzichtete die Gartenlau­be in diesen Berichten. Meine These dazu lautet: Indem Schreibbedingungen und-prozess im­mer zugleich mitgeliefert wurden, bürgte das Organ für größtmögliche Glaubwürdigkeit, getreu der(impliziten) Leitlinie, die sich als Effekt aus der Lektüre des Berichts einstellte: ›Was wir Euch berichten, ist wahr‹. Zugleich fällt der ›behagliche‹, ›fröhliche‹ Ton auf, der über grausame Bilder hinweg-