Heft 
(2021) 112
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Dichterleben im Biedermeier  Muhs 73 ist nicht ge­schrie­ben worden, es sei denn, man wollte Von Zwanzig bis Drei­ßig als Realisie­rung dessen ansehen, was dem Dichter hier vor­geschwebt hat. Allerdings werden etliche Personen und Themen, von denen im Kontext des»Kunst- und Klatsch-Romans« bzw. den verschollenen Manu­skrip­ten und unausgeführten Projekten die Re­de gewesen war, im zweiten Teil von Fontanes Autobiographie dann näher be­han­delt, be­zeich­nen­derweise aber nicht länger um ihrer selbst willen, sondern ledig­lich mit Be­zug auf sich selber und seinen Werdegang. Auch wo das auto­biographische Ich ganz im Hintergrund bleibt, dient die Schil­de­rung der zeit­ge­nös­si­schen Le­bens­welt und Lite­ra­tur­szene, ein­schließ­lich der oft ausführlichen biographischen Einlagen, vor­nehm­lich als Folie für die Ent­faltung der in­di­vi­duellen Cha­rakterzüge des Autors. Das gilt nicht zuletzt für Ma­rons Lebensweg, dessen Präsentation un­ausge­sprochen, aber unverkennbar ganz auf den Ver­gleich hin an­ge­legt ist. Obwohl alles dafürspricht, dass Maron es ge­wesen war, der seinem Mit­streiter aus dem Pla­ten-Klub den Kon­takt zum Berliner Fi­garo vermittelt hat, nachd­ em er selbst im Juli 1839 seine ersten Gedichte dort veröffent­licht hatte, wird auf eine de­tail­lierte Erörterung des Her­gangs verzichtet, wie überhaupt vieles un­nötig vage bleibt und man­ches schlech­ter­dings un­r­ ichtig ist. Indem Fontane seinen ambi­tio­nierten Jugend­freund als viel­s­ eitig be­gabt, aber sprunghaft und aufschneiderisch charak­teri­siert »Sein Leben war ein ver­fehl­tes« 31 , erscheint seine eigene Person um so sympa­thi­scher: minder talentiert viel­leicht, doch ziel­be­wusst, diszipliniert und bescheiden. Das Ein­ge­ständnis, als jugendlicher Schule­schwän­zer auch ge­legent­lich auf Abwege ge­ra­ten zu sein, geht unmittelbar in Selbst­kritik über:»Eine Ge­fahr war es und sie läuft nicht im­mer so gnädig ab.« 32 Wie das Beispiel Her­mann Marons zeigt so muss der geneigte Leser Von Zwan­zig bis Dreißig an dieser Stelle schlussfolgern und erfreut zur Kenntnis nehmen, dass sich Fontane letztlich nicht hat gehen las­sen. Nachdem weder die Anfang der 1860er-Jahre konzipierte Porträtsamm­lung noch auch Mit­te der 1880er-Jahre die mehrfach rekonfigurierte Ge­schichte des Ber­liner literarischen Le­bens zu­stande ge­kommen waren, soll­te Maron von allen einschlägigen Namen der ein­zige blei­ben, über den zu Fontanes Lebzeiten etwas Zusam­men­hän­gen­des im Druck er­schie­nen ist. Wer und was»Die Poe­ten des Berli­ner Figaro« sonst gewesen waren, kommt in Von Zwan­zig bis Dreißig nicht weiter zur Sprache, lediglich die Erinne­rung, wie viel ihm ihre Werke be­deutet hat­ten, als er, kaum 14 Jah­re alt und li­te­ra­tur­be­flissen, im Herbst 1833 aus Swine­münde nach Berlin kam. 33 »Se­li­ge Stund­­ en« habe er mit seinem»Leib- und Magen­blatt« ver­bracht, so der an­nä­hernd Acht­zig­jährige im Rückblick, denn was das kleine Pe­riodikum wo­chen­täg­lich auf vier Seiten ausgebreitet hatte, waren vor allem die Ge­dichte jener sechs oder sie­ben jun­gen Her­ren, die da­mals viel­leicht ohne viel per­sön­liche Fühlung un­ter­ein­an­der eine Ber­