Dichterleben im Biedermeier Muhs 73 ist nicht geschrieben worden, es sei denn, man wollte Von Zwanzig bis Dreißig als Realisierung dessen ansehen, was dem Dichter hier vorgeschwebt hat. Allerdings werden etliche Personen und Themen, von denen im Kontext des»Kunst- und Klatsch-Romans« bzw. den verschollenen Manuskripten und unausgeführten Projekten die Rede gewesen war, im zweiten Teil von Fontanes Autobiographie dann näher behandelt, bezeichnenderweise aber nicht länger um ihrer selbst willen, sondern lediglich mit Bezug auf sich selber und seinen Werdegang. Auch wo das autobiographische Ich ganz im Hintergrund bleibt, dient die Schilderung der zeitgenössischen Lebenswelt und Literaturszene, einschließlich der oft ausführlichen biographischen Einlagen, vornehmlich als Folie für die Entfaltung der individuellen Charakterzüge des Autors. Das gilt nicht zuletzt für Marons Lebensweg, dessen Präsentation – unausgesprochen, aber unverkennbar – ganz auf den Vergleich hin angelegt ist. Obwohl alles dafürspricht, dass Maron es gewesen war, der seinem Mitstreiter aus dem Platen-Klub den Kontakt zum Berliner Figaro vermittelt hat, nachd em er selbst im Juli 1839 seine ersten Gedichte dort veröffentlicht hatte, wird auf eine detaillierte Erörterung des Hergangs verzichtet, wie überhaupt vieles unnötig vage bleibt und manches schlechterdings unr ichtig ist. Indem Fontane seinen ambitionierten Jugendfreund als viels eitig begabt, aber sprunghaft und aufschneiderisch charakterisiert –»Sein Leben war ein verfehltes« 31 –, erscheint seine eigene Person um so sympathischer: minder talentiert vielleicht, doch zielbewusst, diszipliniert und bescheiden. Das Eingeständnis, als jugendlicher Schuleschwänzer auch gelegentlich auf Abwege geraten zu sein, geht unmittelbar in Selbstkritik über:»Eine Gefahr war es und sie läuft nicht immer so gnädig ab.« 32 Wie das Beispiel Hermann Marons zeigt – so muss der geneigte Leser Von Zwanzig bis Dreißig an dieser Stelle schlussfolgern und erfreut zur Kenntnis nehmen, dass sich Fontane letztlich nicht hat gehen lassen. Nachdem weder die Anfang der 1860er-Jahre konzipierte Porträtsammlung noch auch Mitte der 1880er-Jahre die mehrfach rekonfigurierte Geschichte des Berliner literarischen Lebens zustande gekommen waren, sollte Maron von allen einschlägigen Namen der einzige bleiben, über den zu Fontanes Lebzeiten etwas Zusammenhängendes im Druck erschienen ist. Wer und was»Die Poeten des Berliner Figaro« sonst gewesen waren, kommt in Von Zwanzig bis Dreißig nicht weiter zur Sprache, lediglich die Erinnerung, wie viel ihm ihre Werke bedeutet hatten, als er, kaum 14 Jahre alt und literaturbeflissen, im Herbst 1833 aus Swinemünde nach Berlin kam. 33 »Selige Stund en« habe er mit seinem»Leib- und Magenblatt« verbracht, so der annähernd Achtzigjährige im Rückblick, denn was das kleine Periodikum wochentäglich auf vier Seiten ausgebreitet hatte, waren vor allem die Gedichte jener sechs oder sieben jungen Herren, die damals – vielleicht ohne viel persönliche Fühlung untereinander – eine Ber
Heft
(2021) 112
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