Fontane-Lied- und Gedichtdrucke Fischer 83 liche Poesie in der Jugend zu wecken, ist in unseren Schulen ein neues Leben angefacht worden. Es kann nicht hoch genug veranschlagt werden, von wie wesentlicher Bedeutung diese Richtung der abstracten, generalisirenden Verstandescultur und dem schlendernden Mechanismus gegenüber sich erweist. Die Extravaganzen der jüngsten Krisis des Staatslebens haben der Schule wenigstens d e n Gewinn eingetragen, daß sie zum tieferen Nachdenken über ein wahrhaft erhaltendes, der Würde und Natur des jugendlichen Gemüths angemessenes Unterrichtsprincip, welches einer lebensvollen Entwickelung fähig ist, geführt haben. 17 Gemütsbildung gegen»Verstandescultur« – eine Konsequenz aus der»Krisis des Staatslebens«, der Revolution von 1848/49. Statt des»schlendernden Mechanismus« bloßer Daten, Fakten und Zahlen sollte die Jugend sich jetzt in Preußens glorreiche Geschichte per Deklamation oder Gesang hineinfühlen. Es sollte Preußen unter den Hohenzollern nicht mehr als eine rationale, sondern als eine emotionale Größe erleben und fortan im Herzen tragen. Das war nach dem Herausgeber auch bitter nötig, hätte man doch ein»dünkelhaftes, egoistisches Geschlecht gezogen, welches in hohler Verstandesschwärmerei wie pietätlosem Absprechen seines Gleichen sucht, und in seinem Streben nach Genuß nur leeres Stroh drischt«. 18 Perhorresziert wurde die»abstracte, cosmopolitische Tendenz« und gegen diese die»n a t i o n a l eBasis« 19 Preußens aufgerufen. Gedichte lehrten nun Geschichte:»Die vorliegende Sammlung wünscht vornehmlich dem Unterricht in der brandenburgisch-preußischen Geschichte zu dienen[...]«. 20 Sie schuf nicht Wissen, sie schuf Gefühle, Gefühle der Dankbarkeit und Verehrung für das angestammte Herrscherhaus und ihre»Diener und Helfer« – oder sollte es wenigstens tun. Die Frage, was »brandenburgisch-preußische Geschichte« war, beantwortete sich vor diesem Hintergrund von selbst:»Die Geschichte Preußens ist die seiner hohenzollernschen Fürsten, eines Geschlechts, welches zum Heile unsres theuren Vaterlandes einzig dasteht unter den Dynastien Europa’s.« 21 Bis 1848 war klar, dass Preußen eine relativ junge Monarchie mit einem Heer und alten und neuen Provinzen war. Was ›Preußen‹ war, diese Frage stellte sich erst, als ›Deutschland‹ 1848 zu einer Alternative geworden war. Nun musste man eine Antwort finden. 22 Welche Stellung aber die Partei des a l t e n Preußens zu dem neuen »Frankfurter Deutschland« von jetzt an einnahm, das konnte man aus einer»Ansprache an das Volk«[23. Juli 1848] entnehmen[…]. In dieser Ansprache erklärte der Preußenverein für konstitutionelles Königthum alle diejenigen, welche das Aufgehen Preußens in Deutschland forderten,»f ü r F e i n d e d e s V a t e r l a n d e s!« 23
Heft
(2021) 112
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