Heft 
(2021) 112
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150 Fontane Blätter 112 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte auch auf Georges Kranksein oder dessen Ursache mit beruhte. Jahre später hat Fontane über den Sohn einmal bemerkt,»er lebte noch, wenn er nicht zu viel Salz- und Schmalzstullen gegessen hätte«. 34 Das ist nichts anderes als der Befund einer grundsätzlich ungesunden Ernährung, und es wäre schon sonderbar, wenn nicht auch Martha daran Anstoß genommen hätte. Wenn aber eine solche Lebensweise zu einem wirklichen Notfall führt dass es eine Blinddarmentzündung war, wurde ja nicht gleich erkannt, dann wer­den sich die widerstreitendsten Empfindungen einstellen. Zorn, Angst, Mit­leid, Entsetzen, immer untermischt mit einem»Das-hast-du-davon!« auf der einen und Gefühle von Scham und Schuld auf der anderen Seite, und je mehr ein solcher Kranker der Pflege bedarf, desto schwieriger wird es. Eben das wird Mete wahrgenommen und deshalb entschieden haben, dass besser sie die Betreuung des Bruders übernähme, während die in Angst und Zorn auf­gelöste Martha sich um alles andere im Haus kümmern sollte. Weil das aber auch jeder richtig verstand, wurde von ihrem Nichterscheinen am Kranken­bett nicht gesprochen, geschweige es ihr vorgeworfen, sondern eben allein der Fürsorge der Schwester gedacht. Denn ohne Vorwürfe auch, rücksichtsvoll und teilnehmend, haben sich die Fontanes danach der jungen Witwe gegenüber verhalten. Um in Lich­terfelde nicht zu vereinsamen, war Martha schon wenige Wochen nach Georges Tod in eine Wohnung am Lützowplatz umgezogen und fand sich bald regelmäßig bei den Schwiegereltern ein.»Martchen verplaudert jeden dritten Abend bei uns«, berichtet Emilie im November 1887 nach Münster. »Sie ist sehr rührend in ihrer Trauer u. spricht am liebsten von ihrem ­George.« 35 Mete, wenn sie unterwegs war, schrieb an sie und bekam von Fontane gemeldet,»Marthachen« habe sich sehr über ihren Brief gefreut, sie solle doch unbedingt mit ihr in Verbindung bleiben.»Sie ist ganz elend, so elend, daß sie wirkt wie ein erlöschendes Licht. Und dabei weiß ich wirk­lich nicht, wie ihr geholfen werden soll, denn es ist ja ganz unmöglich, sie dem Boden zu entreißen, drauf sie gewachsen ist.« 36 Über den Kontakt zu ihren Eltern bemerkt er, dass der Vater ihr ständig»Kuchentüten« schickte, um seine Liebe zum Ausdruck zu bringen, was sie neben dem»ewigen Ren­nen« also dem Hin und Her zwischen den verschiedenen Wohnungen womöglich erst recht elend machte. 37 Für den Justizrat übrigens waren sol­che Zustellungen einfach. Er hatte bereits Telefon und konnte sie von seiner Wohnung aus veranlassen. Die Roberts hatten die repräsentative Etage in der Kleinen Präsidenten­straße, wo Marthas Verlobung stattgefunden hatte, 1886 aufgegeben und wohnten in der Mittelstraße in ihrem eigenen Mehrfamilienhaus. Das aller­dings nicht wegen eines Geldvorteils, sondern wegen der völligen Umge­staltung ihrer vormaligen Wohngegend an der Spree. Der Königsgraben direkt neben ihrem Haus wurde damals zugeschüttet und die ihn überque­rende Herkulesbrücke zur Abtragung vorbereitet. 38 Das bedeutete Lärm