Heft 
(2021) 112
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154 Fontane Blätter 112 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Todestag von George, der in diese Zeit fiel, bedauerte man sie auch wieder ohne jeden Misston.»Seine arme, kleine Frau«, schreibt Emilie nach Müns­ter und ist schon zufrieden, dass wenigstens»manchmal eine Spur von Roth auf ihrem blassen Gesichtchen« erscheint. Leider allerdings, fügt sie hinzu, finde sie an ihr»so wenig Mittheilsames, daß man nie weiß wie ihr zu Mu­the ist und nicht an sie heran kann.« 46 Ähnlich hatte zuvor auch Fontane das Fehlen»wirklicher Liebenswürdigkeit« an ihr beklagt. Er erklärt es sich damit, dass sie, obwohl»gut aussehend,[] gebildet und von natürlicher Klugheit«, von Haus aus»immer in eine zweite Stellung geschoben«, also den jüngeren Brüdern nachgeordnet worden sei. 47 Noch vor dem Antritt der Sommerfrische erfuhren die Fontanes aber auch, dass ebenso die Roberts in die Potsdamer Straße ziehen würden, viel­leicht durch»Papa Robert«, der sich vor der Abreise nach Tölz noch verab­schieden gekommen war. 48 Emilie war darüber anscheinend ins Grübeln geraten und hatte an Fontane geschrieben, dass Martha schon länger infor­miert gewesen sein muss, sie ihnen zu ihrem Zuzugswunsch also nicht rei­nen Wein eingeschenkt hatte. Er bestätigt ihr das Vermutete mit den dunk­len Sätzen:»Das andre wird ja wohl so sein, nun Du weißt schon wie, aber ich kann doch auch ein Gefühl aufrichtiger Theilnahme nicht unterdrü­cken.« 49 Zweifellos war ihm die Berührung des Themas unangenehm, weil kaum anders als von einer Unredlichkeit Marthas hätte die Rede sein müs­sen. Er war deshalb auch verärgert, als er aus Münster erfuhr, dass Emilie ihren Verdacht auch dem Sohn Theo mitgeteilt hatte.»Den Brief Mamas habe ich gelesen«, bemerkt er zu dem ihm mitgeschickten Schreiben,»er sagt mir zu viel und verbreitet sich über Dinge, worüber briefliches Schwei­gen besser gewesen wäre.« 50 Zu dem angesprochenen Sachverhalt aber er­klärt er: M. R. hat die Wohnung 134.c. mit einem ihr sonst ganz fremden Empres­sement gewünscht, weshalb wir es für unsere Pflicht gehalten haben, von einer Hinderung dieses Vorhabens(die uns bei unseren Beziehun­gen zu Herrlichs leicht geworden wäre) Abstand zu nehmen.»Wir kön­nen ihr dies nicht versagen, um Georges willen nicht und um ihrer selbst willen nicht, denn es drückt sich ein Zug, eine Sehnsucht darin aus, die wir aus Menschen- und Christenpflicht unterstützen müssen.« Das etwa waren meine Worte. Noch jetzt bin ich froh danach gehandelt zu haben, weil es mir ein gutes Gewissen giebt. Mit Marthas»Sehnsucht« kann, auch wenn sich das sonderbar anhört, nur eine Sehnsucht nach ihnen, den Schwiegereltern, gemeint sein. Hätte ­Fontane gewusst, dass auch Marthas Eltern in die Potsdamer Straße zie­hen, wäre eine Behinderung ihres Wunsches überhaupt nicht in Frage ge­kommen, und ebenso würde er sich über ihr»Empressement« nicht gewun­dert haben. Aber auch sein gutes Gewissen jetzt, wo er von dem Umzug weiß, ist nur so zu verstehen. Er räumt also das von Emilie bemerkte