Heft 
(2021) 112
Einzelbild herunterladen

Schwiegertochter Martha Robert  Seiler 155 ­Täuschungsmoment indirekt ein, will es aber nicht zur Sprache bringen. Umso entschiedener stellt er stattdessen die drohende Annäherung der ­Roberts heraus: Im Uebrigen aber ist es eine Familie, mit der es ganz unmöglich ist, auf einen Fuß des Vertrauens zu kommen. Die Familie kennt nur Kleines, Niedriges, Kümmerliches, und weil es so ist, muß alles was nach Intimi­tät aussieht, ausgeschlossen bleiben. Artig, freundlich, aufmerksam ha­ben wir uns zu zeigen, im Uebrigen kühl bis ans Herz hinan. Alles wird mißverstanden. Geld, Vortheil, Liebesgeschichten, weiter giebt es nichts in der Welt. Jedenfalls ist es kein Haus, in das man mit einem Münster­schen kleinen Enkel und seiner Mutter»gemütlich« einrücken kann. 51 Dass ihn Marthas Unaufrichtigkeit nicht weiter kränkte, ist aber gut zu er­klären. Wenn wirklich ihr Einzug auf Bedenken gestoßen war, dann aus dem einfachen Grund, dass sich aus ihm auch eine gewisse Verantwortlich­keit hätte ergeben können. Nicht rechtlicher Art natürlich, aber doch in dem Sinne, dass man sich für ihre Unterhaltung, ihre Gesellschaft, für Lebens­fragen aller Art hätte in der Pflicht fühlen können. Mit dem gleichzeitigen Zuzug ihrer Eltern kam das kaum mehr in Betracht 52 , und wirklich hat Mar­tha fortan weit mehr Zeit bei diesen als bei den Fontanes verbracht. Nach ihrem Einzug nahmen die kritischen Untertöne ihr gegenüber auch zu. Vielleicht minderte das Mitleid schon, dass ihr allein eine genauso große Wohnung im zweiten Stock zur Verfügung stand wie den Fontanes im dritten, noch dazu mit höheren Räumen. 53 Mete beanstandete aber auch, dass sie gern schick gekleidet mit ihrem Pudel flanieren ging, bald auch in wechselnder Herrenbegleitung. Als sie im Sommer 1889 mit ihr zusammen nach Warnemünde fuhr, wo die Wittes an der Strandpromenade eine schö­ne Villa besaßen, muss Fontane sie mahnen:»Sei nur recht nett zu ihr und nicht zu kritisch; Gott, sie hat weiter nichts, eine hübsche junge Frau, die auf Techtelmechtel und Toilette hin erzogen ist.« Dass sie in dem Badeort »mal auf ihre Kosten« komme, gönne er ihr von Herzen. 54 Sehr vorteilhaft fielen ihre Rückmeldungen aber sicherlich nicht aus, Fontane muss gegen ihre Urteile immer wieder ansprechen. Aus Anlass eines Briefes der Müns­teraner Schwiegertochter»Martha III«, der ihm auch»als Briefleistung« nur»Nummer III« ist, schreibt er an sie zu den Frauen der Söhne:»Aeußer­lich haben und hatten beide Jungens ganz gut gewählt, aber im Erkennen des ›Feineren‹ haben beide schlecht bestanden; Theo, fürchte ich, eigentlich noch schlechter als George. Denn in unsrer weißen Pastellschwiegertoch­ter hier unten, stecken einige gute, nicht verächtliche Züge.« 55 Wenn etwas nicht Metes Meinung entsprach, dann diese Reihenfolge. Der Kontakt zu»Martha II« lockerte sich zwar, riss aber nicht ab. Als für den Festakt zu Fontanes 70. Geburtstag ins Englische Haus einzuladen war, schrieb Mete an den Organisator Schlenther:»Wir bitten Sie, meine Schwä­gerin(die Witwe meines Bruders George) als zu uns gehörend zu betrach-