Marianne Beese: Die Familie Eggers Berbig 189 Holsteinische Landesbibliothek in Kiel auf. Beese hat sich aus einsichtigen Gründen auf die Rostocker Archivalien konzentriert – einsichtig deshalb, weil sie alles enthalten, was für ihre Familiengeschichte erforderlich ist: zahllose persönliche Dokumente der Familienmitglieder, den Großteil der Druckwerke, nicht Weniges auch aus dem Freundeskreis, alle überlieferten Werk- und Arbeitsmanuskripte und die Briefschaften. Und es sind diese Briefschaften, die eine kaum auszuschöpfende Quelle höchsten Formats darstellen. Das liegt vor allem am Charakter dieser Korrespondenz. Die an ihr Beteiligten hielten sich völlig frei von literarischen Ambitionen. Sie beabsichtigten ein dichtes Informationsnetz zu knüpfen, sie wollten übereinander im Bilde sein, Entfernungen überbrücken und Nähe halten, wo sie geographisch unmöglich war. Gleichzeitig verfolgten sie dabei durchaus eigene Intentionen und versuchten, Selbstbilder zu erzeugen, die der Familie imponierten, mögliche Besorgtheit beschwichtigten oder, auch das, zu Unterstützung ermunterten, nicht selten zu finanzieller. Diese Briefschaften umschließen einerseits die zwischen Friedrich Eggers und seinen Eltern sowie den Geschwistern und andererseits die zwischen den Familienangehörigen, etwa Karls mit seiner Ehefrau Mathilde. Damit werden abweichende Perspektiven belegbar, Schnittstellen von Reiz lassen sich markieren. Nach dem Tod des Vaters hat Friedrich Eggers aus dem Briefaustausch mit ihm(und ursprünglich seinen Eltern) eine eigene Form des Mitteilens entwickelt: die»Wochenzettel«. Diese Gattung bewegt sich zwischen einem Diarium, das in chronologischer Form das jeweilige Tagesgeschehen notiert, und dem Brief, der ein direktes Gegenüber hat. Die Absicht war, alle zur unmittelbaren Familie Gehörenden in einem Zug übereinander zu informieren – gewissermaßen ein Familien-Tagebuch einzurichten, das die Geschichte der Eggers-Geschwister und ihrer Angehörigen laufend archiviert. Auf diese Weise sollte der familiäre Zusammenhalt gesichert und die eigene Geschichte mit derjenigen der Zeitläufte verwoben werden. Für eine Chronistin, so möchte man meinen, eine ideale Ausgangslage – gleichermaßen aber eine Herausforderung. Wie weitgehend sollte sie diese Archivbestände sichten und wie angemessen ihr Informationsuniversum handhaben? Was war wert aufgenommen zu werden, was konnte vernachlässigt, was fortgelassen werden? Wozu war sie berechtigt, und wer gab ihr das Recht? Die Entscheidung, die Beese fällte, war so mutig wie folgenreich. Sie entschloss sich, soweit es die Dokumente nur irgend erlaubten, minutiös die Lebenswege ihrer Akteure referierend nachzuzeichnen. Einer knappen Einleitung schließen sich sieben Kapitel an, die in kleinere Abschnitte unterteilt sind. Die Kapitelüberschriften geben jeweils den behandelten Zeitraum an, ergänzt um orientierende Schlagwörter, etwa»Friedrich, Karl und Mathilde Eggers: Im Spannungsfeld zwischen Berlin, Süddeutschland, Italien/ Österreich – und Rostock(1856–1858)«.(S. 545) Die Abschnittsüberschriften verweisen auf Inhaltliches, etwa: 1.10»›In der allergrößten Verlegenheit und
Heft
(2021) 112
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