192 Fontane Blätter 112 Rezensionen Urszula Bonter: S. Schottlaender. Ein Breslauer Verlag im Kaiserreich. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2020(Buchwissenschaftliche Beiträge; 101). 195 S. Printversion oder E-Book€ 58 Als Band 101 der Reihe Buchwissenschaftliche Beiträge des HarrassowitzVerlags erschien 2020 Urszula Bonters Geschichte der Verlagsbuchhandlung S. Schottlaender, die 1876 von Salo Schottlaender(1844–1920) in Breslau gegründet wurde und sich rasch als bedeutender deutscher Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlag mit Schwerpunkt in der Belletristik etablierte. Der Entwicklung dieses bemerkenswerten Unternehmens, zu dem auch eine moderne Buchdruckerei mit Schriftgießerei, Stereotypie und Galvanoplastik gehörte, wird mit diesem schmalen Band erstmals eine wissenschaftliche Monographie gewidmet. Auch ein Werk Fontanes trägt das etwas großspurige Signet des Verlags auf der Titelseite – einen Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen, der in den Klauen ein wehendes Banner mit dem Monogramm des Verlegers, zwei verschlungenen großen»S«, durch die Lüfte trägt: der Roman L’Adultera, der 1882 bei S. Schottlaender in Breslau erschien. In der Fontane-Forschung wurde die Beziehung des Autors zu dem Verlag daher bereits mehrfach beschrieben. Dieses Wissen kann nun korrigiert und ergänzt werden. Fontane gehörte nicht zu den Autoren, um die sich Schottlaender besonders bemühte, sondern zum Beifang, den der Verleger mit der Übernahme von Paul Lindaus Zeitschrift Nord und Süd an Land zog. In dieser Zeitschrift wurde im Mai und Juni 1879 die Novelle Grete Minde erstmals abgedruckt; die Buchausgabe erschien im November 1880 1 im Verlag von Wilhelm Hertz. Im Juni und Juli 1880 veröffentlichte Nord und Süd Fontanes ersten Berliner Gesellschaftsroman L’Adultera. Erst im September 1881, über ein Jahr nach dem Abschluss des Zeitschriftenabdrucks, kam es zwischen dem Verleger und dem Autor zu Vereinbarungen über die Buchausgabe; im März 1882 2 wurde das Buch ausgeliefert. Schottlaender, der erworbene Rechte geschäftstüchtig mehrfach nutzte, ließ sich vom Autor als Nebenrecht den Abdruck in einem seiner Periodika zusichern. Tatsächlich erschien L’Adultera vom 30. Oktober bis 3. Dezember 1881 in der Tageszeitung Schlesische Presse, nunmehr allerdings unter dem Titel Melanie Van der Straaten. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Eigenmächtigkeit des Verlegers. Wie sich seiner Korrespondenz entnehmen lässt, schwankte der Autor selbst zwischen dem dezenteren und dem marktschreierischen, für Therese Ravené(1845–1912) sogar herabwürdigenden Titel, zu dem er dann für die Buchausgabe wieder zurückkehrte. Der Hinweis auf diesen bisher nicht bekannten Zeitungs-Abdruck vor dem Erscheinen der Buchausgabe gehört zu den wichtigsten Resultaten von Bonters Monographie für die Fontane-Forschung. 3
Heft
(2021) 112
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