Fontane auf Französisch D'Aprile, Lerenard 19 sem wunderschönen Buch voller amüsanter und trauriger Anekdoten. Nachdem so viele Werke über den deutsch -französischen Krieg übersetzt worden sind, ist es mir unbegreiflich, warum man es so lange versäumt hat, dieses Buch zu übersetzen. Es ist von einer erstaunlichen Unparteilichkeit und es hat darüber hinaus – im Vergleich zu all den anderen – den Vorteil, auch noch gut geschrieben zu sein. Der Journalismus war für Fontane immer nur ein Broterwerb. Zwischen zwei Artikeln(wenn es ihm seine Zeit erlaubte) beschäftigte er sich mit zwei Dingen, die ihm mehr am Herzen lagen: Er schrieb Gedichte und vertiefte sich in die Geschichte der Mark Brandenburg. Schon 1850 erschien seine erste Gedichtsammlung Männer und Helden. Danach veröffentlichte er mehrere Bände mit Legenden und Balladen, in denen er skandinavische Mythen, preußische Überlieferungen und Motive aus der Geschichte Englands aufgriff. Die jungen deutschen Dichter von heute verehren Fontane als einen ihrer Meister. Mag es seinen Versen an Schwung und lyrischem Empfinden mangeln, so sind seine formal sehr klar konstruierten Bilder viel kräftiger und schlüssiger als bei allen anderen Dichtern seit dem Ende der Klassik. Das zeigt sich etwa an diesen beiden volkstümlichen Balladen, die rein zufällig aus der Neuausgabe von Fontanes Gedichten ausgewählt wurden: Sylvester-Nacht 20 Das Dorf ist still, still ist die Nacht, Die Mutter schläft, die Tochter wacht, Sie deckt den Tisch, sie deckt für zwei, Und sehnt die Mitternacht herbei. Wem gilt die Unruh? wem die Hast? Wer ist der mitternächtge Gast? Ob ihr sie fragt, sie kennt ihn nicht, Sie weiß nur, was die Sage spricht. Die spricht: Wenn wo ein Mädchen wacht Um zwölf in der Sylvesternacht, Und wenn sie deckt den Tisch für zwei, Gewahrt sie, wer ihr Künft’ger sei. Und hätt ihn nie gesehn die Maid, Und wär er hundert Meilen weit, Er tritt herein und schickt sich an, Und ißt und trinkt, und scheidet dann. –
Heft
(2022) 113
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