Heft 
(2022) 113
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Fontane auf Französisch  D'Aprile, Lerenard 29 gewisse Etwas eines zeitlosen Klassikers. Dennoch glaube ich, dass in un­serer heutigen Gegenwart, in der die naturalistischen Romane nachdem sie uns alle stark gefesselt haben anfangen, uns kalt und unerträglich zu erscheinen, Fontanes besonderer Naturalismus ein größeres Potenzial als diese hat, uns für einen Augenblick zu verführen. Diesen Sommer habe ich Theodor Fontane auf einer Berliner Straße ge­sehen. Er ist ein kleiner alter Herr mit grauem Haar und grauem Schnurr­bart, mit der Haltung eines pensionierten Offiziers. Er ging mit schnellem Schritt und erhobenen Hauptes, in seinen Gehrock gut eingeschnürt. Man sagte mir, es gäbe keinen sanfteren, bescheideneren, freundlicheren Mann. Die jungen deutschen Schriftsteller verehren ihn wie ihren Meister. Das große Publikum liest seine Bücher wenig, aber Gott weiß, was das große Publikum in Deutschland liest! Es handelt sich um ein Land, wo sich die Aufklärung so schnell verbreitete, dass alle für immer geblendet wurden. Theodor Fontanes Talent hat allerdings in diesem Jahr eine höhere Würdigung erfahren. Ihm wurde zur Hälfte wie man munkelt, auf direk­ten Wink des Kaisers der Schillerpreis verliehen, der alle drei Jahre an den besten Schriftsteller Deutschlands vergeben wird. Hätte man, anstatt Fontane einen unbekannten Provinzdichter 28 zur Seite zu stellen, Friedrich Nietzsche in der Jenaer Nervenheilanstalt mit der zweiten Hälfte des Prei­ses gewürdigt, hätte man wirklich die beiden bemerkenswertesten deut­schen Schriftsteller ausgezeichnet ja sogar die beiden einzigen beachtens­werten Schriftsteller im heutigen Deutschland .