Eggers’»Wochenzettel« 1870 Berbig 39 unter ihnen hören zu und schließen sich dem bildenden Einfluß der Kameraden an. 26 Das sozial und mental heterogene Gebilde fügt sich unter dieser Feder zu einem Bild eines organischen Ganzen:» eine Gesellschaft«. Die Unterschiede werden nicht nivelliert, erweisen sich jedoch im Packwagen-Miteinander als null und nichtig.»Pulle, Cigarren, Brod« gehen»von Hand zu Hand. Wer hatte, der gab.« Der Bezeugende steht für das Berichtswahre. Er könne, versichert er, das alles»mit vielen kleinen Zügen, die ich erlebte, belegen.« 27 Der als Chronist agiert, ist Akteur und Teilhaber. Er nimmt Anteil und teil. Und noch mehr: Der Umstand, dass er einen Freund – Fontane – finden will, bringt im Bericht eine maßstabsetzende Zukunftsinstanz ins Spiel: die Information. Nicht allein, dass der Wochenzettler mit seiner Gattung schon informative Fäden knüpft – er erscheint bei diesem Tun selbst verwoben in ein Nachrichtennetz. Berichtet wird von Informationsknotenpunkten wie etwa den Johanniterbüros auf den Bahnhöfen. Entgegengenommen werden »telegraphisch angelangte[] Nachricht[en]« 28 , die Antworten benutzen den selben medialen Weg:»Es wurde noch ein Telegramm für Berlin verfaßt, da mir wichtig schien, das Nähere genauer zu wissen und eine bessere Operationsbasis zu haben.« 29 Der moderne Kommunikationsfluss findet seine Aufmerksamkeit und mithin Erwähnung: Als der Sturm die»Telegraphendrähte gestört« hat und alle Depeschen von Courcelles»per Courier überbracht werden müssen«, blitzt die mediale Moderne auf, die diesen Krieg prägt. Eine»Photographie von Nöhl« 30 wird einem nach Versailles Abgesandten anvertraut, und wenn dem»Professor=Krankenpfleger[…] von dem unter Regen und Sturm stattgehabten Begräbniß eines den Anstrengungen erlegenen Kameraden« berichtet wird, dann geht»dessen Photographie von Hand zu Hand« 31 . Je näher der Zug den Gefechtsfeldern kommt, um so merklicher wird der Wille des Schreibenden, die zuvor beschworene Schönheit der Ortschaften zu kontrastieren mit den Spuren, die der Krieg in Städte und Landschaften einzeichnet. Die»reizenden Läden der schönen Stadt« Nancy/Nanzig »sind sehr verführerisch, wenn man nicht immer zuerst an unsere Verwundeten gedacht hätte« 32 . Und die erwähnenswerte Besichtigung von Architektur und Gemäldegalerien wird sogleich – wie zur Beschwichtigung eines aufkeimenden schlechten Gewissens – mit dem Verlust landschaftlicher Anmut durch militärische Eingriffe gekontert: Rechts und links liegen die mächtigen Eichen, die dem Willen des großen deutschen Kriegs=Mechanismus´ haben fallen müssen. Rohe Baumstämme bilden die Laternenpfähle. An ebenso rohen Balken sitzen die Telegraphenglocken.[…] Alles immer in Nebel, Regen und Wind. […] 10 Minuten vom Orte diesseits stand unser Zug auf freiem Felde. Courcelles ist ein elendes schmutziges kleines Nest, öde Hügel ringsumher,
Heft
(2022) 113
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